Schmerzhafte Familiengeschichte

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Alex Schulman hat mit "Die Überlebenden" zweifellos ein sehr besonderes Buch vorgelegt. Es ist die Geschichte der Kindheit dreier Brüder, deren Eltern alkoholabhänigig sind, und die ihre Kinder abwechselnd mit übertriebener Zuwendung beinahe erdrücken, um sie im nächsten Moment dann wieder völlig sich selbst zu überlassen und fast sträflich zu vernachlässigen. Diese Unberechenbarkeit im elterlichen Verhalten macht allen dreien zu schaffen, und jeder von ihnen entwickelt daher ganz eigene Verhaltensweisen und Überlebensstrategien. Als Erwachsene gehen alle drei ganz unterschiedliche Wege und haben nur noch wenig miteinander zu tun. Sie treffen sich nach Jahren der Distanz zueinander erst wieder, als die Mutter stirbt und bestattet werden muss. Dass sie niemals gelernt haben, offen miteinander zu reden und verständnisvoll miteinander umzugehen, spiegelt sich sowohl in den gemeinsamen Erlebnissen ihrer Kindheit, als auch in ihrem Verhalten als erwachsene Männer. Immer sind Aggressionen im Spiel, oft nur unterschwellig, oft jedoch auch ganz offen; die Kinder übernehmen zwangsläufig, was ihnen von den Eltern vorgelebt wird. Als Leser wird man das düstere, ungute Gefühl, das sich schon mit den ersten Zeilen einstellt, bis zum überraschenden Ende nicht los. Man fühlt mit den Jungen, spürt ihre Unsicherheit, ihre Angst, ihren Wunsch dem allem zu entfliehen und gleichzeitig ihre Sehnsucht nach Zuwendung und Geborgenheit.
Alex Schulman hat für seinen Roman eine ungewöhnliche Erzählstrategie gewählt. Er erzählt die Handlung der Gegenwart rückwärts, dazwischen die Rückblenden in die Vergangenheit vorwärts. Während des Lesens habe ich mich immer wieder gefragt, was ich von diesem literarischen Kunstgriff halte und kam schließlich zu der Ansicht, dass mir persönlich dadurch die Flüssigkeit in der Erzählung fehlte, ich empfand das "Drinbleiben" in der Geschichte und das Zusammensetzen der einzelnen Bruchstücke als mühsam. Daher vergebe ich nur 3 Sterne: das Thema als solches war sehr berührend und emotional, aber für meinen Geschmack auf eine zu konstruierte Weise umgesetzt.