Unbegreiflich und doch sehr deutlich

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"Die Überlebenden" von Alex Schulman erzählt die Geschichte von drei Brüdern, Benjamin, Pierre und Nils, die nach dem Tod der Mutter nach längerer Zeit wieder zueinander finden. Ihre Aufgabe: Die Asche der Mutter am Sommerhaus verstreuen.

Das Cover des Buches überzeugt mich grundsätzlich eher nicht, da erdige Farben verwendet wurden und mich diese persönlich wenig ansprechen. Zudem ist kein Cover- Textbezug erkennbar. Grundsätzlich ist die Gestaltung jedoch einheitlich - auch die zusätzlichen Extras (Lesejournal und Buttons) sind gut aufeinander abgestimmt.

Das Hauptthema des Buches ist, nicht unbedingt wie angedeutet, der Tod der Mutter - dieser gilt als Rahmenhandlung für wichtige Ereignisse und begründet Erinnerungen an die Kindheit. Viel mehr rückt die Beziehung der drei Brüder in den Vordergrund. Es wird deutlich, dass jeder auf individuelle Weise seine eigene Last zu tragen hat und Erfahrungen aus der Kindheit das weitere Leben deutlich beeinflussen. Der Autor bringt durch geschickte Zusammenhänge die Geschehnisse an den Lesenden heran, wodurch zuvor Erzähltes immer klarer wird.

Schulman wählt größtenteils einfache Worte, sodass das Buch gut und schnell zu lesen ist. Dennoch sollte angemerkt werden, dass einzelne Kapitel nicht direkt verstanden werden konnten - erst später haben sich Inhalte geklärt. Das ging leider teilweise auch so weit, dass gerade Gelesenes für mich als Lesende keinen Sinn ergab.

Die Protagonisten sind alle sehr individuell und es wird deutlich, dass die Geschehnisse aus teils sehr unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Besonders Benjamin war meiner Meinung nach eine sehr authentische Figur, die schließlich auch dazu beitrug, dass das Buch unbedingt sofort zu Ende gelesen werden musste. Pierre ist mir bis zum Schluss nicht ganz geheuer gewesen. Er zeigt seltsame Verhaltensweisen, die ich mir auch in den Erzählungen aus der Kindheit nicht immer erklären konnte - zu ihm konnte ich auch nur einen sehr geringen Draht aufbauen. Nils ist der typische ältere Bruder, der sich nicht um die Belange der jüngeren Geschwister zu kümmern scheint - dass mehr hinter seinem Verhalten stecken könnte, wird im Buch stellenweise deutlich. Insgesamt sind die Figuren sehr dynamisch - die Konstellation der Charaktere habe ich so noch nirgends gesehen.

Die kurze Inhaltsangabe am Anfang dieser Rezension lässt nur wenig darüber schließen, welche tiefgreifenden Erfahrungen die Brüder in ihrer Kindheit erlebt haben. Von Anfang an wird jedoch deutlich, dass viele Traumata und gestörte Beziehungen der Grund dafür sind, warum die Brüder zusammen, und doch einsam sind.

Mein Interesse an dem Buch galt und gilt in erster Linie der Figur Benjamin - bereits in der Leseprobe hat mich eine traumatische Erfahrung seiner Kindheit in den Bann gezogen.
Besondere Aufmerksamkeit sollte dem Buch außerdem zuteilwerden, weil die Geschichte von hinten aufgerollt wird. Der Lesende erfährt bereits zu Beginn, wie die Brüder die Asche der Mutter verteilen. Erst im Laufe des Buches werden die Zusammenhänge deutlich, die das Verhalten der mittlerweile jungen Männer teilweise erklären.

FAZIT:
Insgesamt erhält dieses Rezensionsexemplar 4 von 5 Sternen. Ein fehlender Stern steht einerseits für die teils so verwirrenden Erfahrungen, andererseits allerdings auch für das Ende, von dem ich mir etwas mehr erwartet hätte.

Dennoch ist dieses Buch aufgrund seiner Besonderheit des Erzählstrangs und eines unbegreiflichen Wendepunktes absolut zu empfehlen.