Beklemmend

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Hedy ist Jüdin aus Österreich und vor der Verfolgung durch die Deutschen nach der Annektion Österreichs auf die Kanalinsel Jersey geflohen, nur um dort von ihrem Schicksal wieder eingeholt zu werden, als die Deutschen die Insel besetzen. Genötigt von den harten Umständen der Besatzung, dem Mangel an Kleidung und Nahrung, bewirbt sie sich um eine Stelle – ausgerechnet bei den deutschen Besatzern – als Dolmetscherin, da sie sowohl Deutsch als auch Englisch spricht. Als sie dort dem Wehrmachtsoffizier Kurt Neumann begegnet und beide sich gegen alle Widrigkeiten in einander verliebten, beginnt beider Kampf um Hedys Rettung. Denn mit Verschlechterung der Kriegslage für die Deutsche gerät Hedys Leben immer mehr in Gefahr. Aber die drohende Niederlage der Deutschen, Rettung für Hedy, bedeutete für Kurt den möglichen Tod. Hat die Liebe der beiden überhaupt eine Zukunft?
Basierend auf einer historischen Begebenheit schildert die Autorin den entbehrungsreichen, unmenschlichen und scheinbar aussichtslosen Kampf der Menschen unter den Bedingungen des Krieges. Die vermeintlich friedliche Insel Jersey mit ihrer wildromantischen Naturkulisse und dem ländlich-bäuerlichen Leben entpuppt sich bald als Falle für Hedy und alle die, die ihr helfen. Zum einen erscheint jeglicher Fluchtversuch unmöglich, zum anderen gehen allen Inselbewohnern bald die notwendigen Dinge zum Leben aus. Und der Leser kämpft sich mit ihnen durch Kälte, Hunger und Aussichtslosigkeit, die in der Frage Dorotheas, Hedys Freundin und Retterin, bei der sie sich versteckt hält, gipfelt: Haben wir bis jetzt den Krieg überlebt, um am Hunger zu sterben? Immer wieder leuchten kleine Funken der Hoffnung auf, ein Ferkel, das geschlachtet werden kann, ein paar illegal erworbene Fische, die den Hunger stillen, aber immer wieder müssen auch neue Gefahren überwunden werden: Hedy muss sich im Haus der Freundin verstecken, ihre Anwesenheit darf von keinem Bewohner bemerkt werden und, als die Nazis ihr auf die Spur kommen und Dorotheas Haus unter die Lupe nehmen, müssen Hedy und Kurt einen Plan ersinnen, um Hedys Leben zu retten.
Doch nicht in einer rasanten Abenteuerjagd rast der Leser durch die Geschehnisse, er ringt sich mit den Protagonisten durch das zähe Warten auf Rettung. Beklemmend spitzt sich die Ausweglosigkeit immer weiter zu. Selbst die Momente größter Spannung unterliegen einer Art Lähmung, die auch den Leser erschöpft.
Atmosphärisch ist dieser Roman beklemmend und auf recht unspektakuläre Art grausam. Das Schicksal der beiden Freundinnen geht dem Leser nahe. Hingegen bleibt die Figur Kurt Neumann ein wenig blass. Zu unproblematisch trennt sich sein Leben in das des deutschen Wehrmachtoffiziers von dem des Geliebten der Jüdin Hedy. Gerade im Spannungsfeld dieser Figur hätten sich ein paar interessante Fragen nach Gefühlen und Gedanken aufgetan. Gerade hier hätte es interessante Ansatzpunkte um die Frage nach Schuld und Verantwortung gegeben.
Aber insgesamt kann man auch in diesem Roman wieder feststellen, dass das wahre Leben die „besten“ Geschichten schreibt: Der Plot der Verwicklungen, bei dem niemand als Gewinner aus der Sache herauskommen zu können scheint, verdeutlicht dem Leser, wie unberechenbar das Schicksal ist.