Die Vereinsamung in der virtuellen Welt

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Kann ein Mensch in der heutigen Zeit so einsam sein, dass er sich sogar von der Stimme des Navigationsgerätes angezogen fühlt? Im Zeitalter des vernetzten Soziallebens ist das nur sehr schwer vorstellbar, aber es bestehen auch viele Kontakte nur in der Phantasie des Nutzers. Genau das muss Maxwell Sim auch feststellen, als er nach wochenlanger Abwesenheit in seine Wohnung zurückkehrt. Von seiner Ehefrau und Tochter verlassen lebt er allein, sodass ihn niemand erwartet. Als Einzelkind und mit schlechtem Verhältnis zum Vater kann er sich auch keiner Familie zugehörig fühlen. Offenbar hat er auch keine Freunde, die an seinem Leben interessiert sind. So ist es verständlich, dass er sich von dem einzig richtigen Menschen, der ihm eine Mail geschrieben hat, zu einem neuen Job überreden lässt. Das ist der Beginn einer Reise durch halb England und vor allem aber eine Reise zu sich selbst. Verschiedene Stationen auf der Fahrt Richtung Shetland Inseln nutzt Maxwell dafür, seine Vergangenheit aufzuarbeiten und zu erkennen, wie er an diesen Punkt des Lebens ankommen konnte.

 

Jonathan Coe widmet sich in diesem Roman kritisch dem heutigen Sozialverhalten. Immer weniger nehmen sich Freunde Zeit füreinander, um sich zu treffen. Kontakt wird durch kurze Nachrichten im Internet gehalten, wobei man sich nicht einmal sicher sein kann, dass dort alle Personen real sind, oder gerade einer Phantasie entsprungen. Diese an sich tragische Wendung im Umgang miteinander beschreibt Coe überraschend nüchtern. Er lässt seinen Protagonisten vereinsamen und gleichzeitig hat der Leser permanent die Hoffnung, dass sich für Maxwell alles zum Guten wendet. Die gewählte Ich-Form und immer wieder direkte Ansprache an den Leser suggeriert, die Geschehnisse exklusiv erzählt zu bekommen. Die wahre Tragik und Melancholie wird dabei erst zum Ende deutlich, wenn sich der Autor auf tiefsinnige zu einer dramatischen Wende entschließt. Er vermittelt damit ein Gefühl der Gänsehaut, das man in einem solchen Roman nicht erwartet hätte. Dieses Eintauchen in die menschliche Psyche ist auf jeden Fall lesenswert.