Eine Reise zu sich selbst

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
lilli333 Avatar

Von

Maxwell Sim wurde im Alter von 48 Jahren von Frau und Tochter verlassen. Dies stürzte ihn in eine Depression. Er wurde von der Arbeit frei gestellt. Freunde hat er fast keine mehr. Die Mutter ist schon lange tot, der Vater lebt seit über 20 Jahren in Australien. Vater und Sohn haben keine besonders gute Beziehung. Maxwells Frau hatte vor ihrem Auszug noch ein Flugticket nach Australien organisiert, weil sie fand, dass Max sich mit seinem Vater aussöhnen sollte. Die Reise war jedoch in dieser Hinsicht ein Reinfall. Allerdings bittet der Vater ihn, ihm aus seiner Wohnung in England einen Ordner mit selbstverfassten Werken zu schicken. Auf dem Rückflug lernt Max die junge Poppy kennen. Sie gibt ihm die Geschichte von Donald Crowhurst zu lesen. Crowhurst hatte 1968 an einem Segelwettbewerb teilgenommen, war jedoch nie am Ziel angekommen. Als Max sich entscheiden muss, ob er in seine alte Arbeit zurückkehren will, wird ihm von seinem Freund Trevor ein neuer Job angeboten: er soll eine Reise zu den Shetland-Inseln machen und dort ökologisch einwandfreie Zahnbürsten verkaufen. Da ihn in Watford nichts hält, willigt er ein und macht sich auf diese abenteuerliche Reise. Begleitet wird er dabei von den Gedanken an Donald Crowhurst, mit dem er sich immer mehr identifiziert und Emma, seinem Navi. Diesen beiden vertraut er sich an. Mit ihnen spricht er während der Fahrt, es ist ja auch sonst niemand da. Max unterbricht die Reise, um frühere Bekannte und seine Frau und Tochter zu besuchen, was seine Einsamkeit aber nur noch erdrückender macht. Durch diese Begegnungen werden einige Ereignisse aus Max‘ Leben wieder in sein Bewusstsein gerückt, obwohl er sie lieber ganz vergessen würde. In den Unterlagen seines Vaters findet er schließlich wichtige Hinweise über seinen Vater und auch über sich selbst. Und so fügen sich schließlich nach und nach alle Puzzleteile zu einem Ganzen, und es wird Max und dem Leser klar, wie es dazu kam, dass Max so ist wie er ist.

Jonathan Coe erzählt die Geschichte von Max als Ich-Erzählung. Eingestreut sind verschiedene Kurzgeschichten in der 3. Person, die für den Verlauf der Handlung sehr wichtig sind. Dabei wird der Leser immer wieder direkt angesprochen, was eine gewisse Distanz herstellt, da klar gemacht wird, dass der Leser außerhalb der Geschichte steht und kein Teil von ihr ist. Das ist auch gut so, sonst würden wir alle selbst in stumpfsinnige Depressionen verfallen, nachdem wir dieses Buch gelesen haben. Die Einsamkeit des Max ist so raumgreifend und so plastisch dargestellt, dass es fast ein bisschen schwer fällt, sich nicht anstecken zu lassen. Dabei kommen auch eine gehörige Portion Ironie, Sarkasmus und stellenweise feiner britischer Humor zum Einsatz, was das Buch trotz des ernsten Themas zu einem Lesevergnügen macht. Es ist kein schnelles Buch, eher ein leises. Es lebt von detaillierten Beschreibungen, nicht von Dialogen. Stellenweise erscheint es ein ganz klein wenig langatmig, aber im Ganzen gesehen ist es eine runde Sache.