Jonathan Coe - ein Wanderer zwischen den Realitäten

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
tochteralice Avatar

Von

Maxwell Sim, der Titelheld von Jonathan Coes neuem Roman, ist ein sehr, sehr einsamer Mensch, der mit seinem Dasein hadert. Maxwells Leben ist nicht gerade dynamisch, geschweige denn abwechslungsreich oder gar positiv. Er ist von einem Besuch bei seinem Vater in Australien in seine Heimatstadt, die Kleinstadt Watford im englischen Hertfordshire zurückgekehrt - in ein einsames Leben: das Leben eines Mannes, der von Frau und Tochter verlassen wurde und auch sonst kaum Kontakte hat. Mit seiner Exfrau hält er unter einem Internet-Nick, unter dem er sich als ebenfalls alleinerziehende Mutter ausgibt, Kontakt, um auf diese Weise Neues über seine Tochter zu erfahren.

Über einen Bekannten erhält der Vertreter einen neuen, aus seiner Sicht abenteuerlichen Job: er soll auf den Shetlandinseln und auf dem Weg dorthin, den er in einem mit Navigationssystem ausgestatteten Hybridfahrzeug zurücklegen wird, hochwertig designete Holzzahnbürsten an den Mann bringen. Die Reise, die er in ständigem Austausch mit seiner neuen Freundin Emma - dem Navigator - zurücklegt, wird zu einer Reise zu sich selbst. Auf den einzelnen Etappen trifft er Menschen aus seiner Vergangenheit und erhält durch verschiedene Schriftstücke - kleine Erzählungen innerhalb des Romans - einen ganz anderen Blick auf sich und auf sein Umfeld - in vielerlei Hinsicht werden ihm die Augen geöffnet.

Doch die eigentliche Sensation ist nicht der Inhalt, sondern das virtuose Spiel des Autoren mit verschiedenen Realitäten und Erzählebenen. Scheint die Story zeitweise ein wenig schlapp und blutleer, vermag es der Autor Coe, den Leser ganz schnell in eine andere Position zu verbringen, aus der die Geschichte eine ganz andere Bedeutung erhält. Maxwell Sim ist ein Spielball nicht nur seines Umfeldes, sondern auch der Erzähltechnik seines Autors.

Nichts in diesem Buch ähnelt dem Vorgängerroman Coes "Der Regen, bevor er fällt", ausser dem Umstand, dass der Autor verteufelt gut zu schreiben vermag. Die Ironie erinnert von Zeit zu Zeit an Paul Tordays "Lachsfischen im Jemen", das Spiel des Autors mit verschiedenen Realitäten und Erzählebenen gemahnt hingegen eher an Goldmanns "Brautprinzessin". Ein Feuerwerk an Originalität und ein Kleinod für diejenigen Leser, die nicht an Althergebrachtem festkleben!