Und schwupp…

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sternchenblau Avatar

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Du erbst ein Häuschen auf Ibiza auf einer längst vergessenen alten Bekannten? Was für eine aufregende Vorstellung, die mich dazu gebracht hat, „Die Unmöglichkeit des Lebens“ sofort lesen zu wollen. Nun gut, dass mich sein Roman „Die Mitternachtsbibliothek“ richtig begeistern konnte, war der zweite Grund dafür.

Spoiler: Diese Rezension kommt nicht spoilerfrei aus, weil ich in dem Fall nur darlegen kann, was mich dann stört, wenn ich es auch konkret benenne.

Zunächst bin ich auch sehr beschwingt in das Buch gestartet. Es gibt eine Rahmenhandlung, dass die Protagonistin Grace erstmal den Brief eines ehemaligen Schülers erhält, der gerade eine Sinnkrise hat. Die pensionierte Mathelehrerin antwortet ihn mit einem langen – ja was denn? – Brief, Email, Bericht? Obwohl ich mich fragte, wie das denn rein praktisch aussehen würde, also eine Mail mit vielen Anhängen oder doch ein Masterdokument, hat mich das noch nicht aus der Geschichte gekickt. Das Geraune von einer außerirdischen Existenz dann aber schon.

Versteht mich nicht falsch: Ich liebe das Fantasy-Genre, auch Urban Fantasy, und unsere Welt und unsere Geschichten können durchaus Magie vertragen. Aber statt Mystik und Magie wirken die Geschehnisse hier auf mich esoterisch und paranormal. Vielleicht habe ich in den letzten Jahre zu viel darüber gelesen, wie Verschwörungserzählungen funktionieren und dass manche Leute durch Esoterik in diesen Kaninchenbau fallen. Alberto, der Grace in diese Zusammenhänge einführt, stützt leider die Deutungsrichtung, weil er von Abhörung, die Behörden dürfen nichts wissen, etc., raunt. Wo ich bei die „Die Mitternachtsbibliothek“ die Mystik passend fand, als Metapher auf eine psychische Erkrankung, gelingt Graces Erweckungserlebnis einfach nur albern. Haig wäre besser beraten gewesen, die außerirdische Lebensform nicht ganz so konkret zu benennen. Da hilft übrigens auch nicht, dass wir nochmal lesen dürfen, dass – siehe Titel – es viel zu unwahrscheinlich wäre, wenn die Erde der einzige Planet mit Lebewesen wäre. Ich kann zwar diesen wissenschaftlichen Fakt annehmen, die Geschichte trotzdem albern finden.

Als Auserwählte braucht Grace selbstverständlich einige Zeitlang, ihre Fähigkeiten anzunehmen. Dieser Prozess gestaltet sich ziemlich langweilig und der sehr überstrapazierten Trope „Choosen One“ nervte mich hier besonders. Das war schon ein ziemliches Hin und Her, bis Grace endlich die Verantwortung annimmt. Einzig eine Szene mochte ich in dem Zusammenhang, wenn die Tochter von Graces Erblasserin ihr unter die Nase reibt, dass Grace geködert wurde.

Haig tritt in die erzählerische Falle, dass zu große Kräfte halt einen zu großen Vorteil geben, Hindernisse und Konflikte im Nu zur Seite räumen. Später musste Grace besagte Tochter nicht mal überreden, ja, nicht einmal mehr mit ihr sprechen – sie sendet ihr einfach eine Erinnerung und schwupp!, hilft sie schon. Es fiel dem Autor wohl selbst auf, wenn er Grace auf dem Weg zum Showdown denken lässt, dass das alles viel zu einfach ging. Da kommt noch ein wenig Gegenwehr, aber nachdem Grace dann ihre letzte und sehr breitgetretene Backstory Wound gelöst hat – schwupp, mitten im letzten Gefecht, schwupp – dann geht alles wieder wie geschmiert. Da frage ich mich nur, warum die außerirdische Lebensform das nicht alles deutlich einfacher lösen konnte. Eigentlich ist das dann auch eine Frechheit all den Leuten gegenüber, die sich als Aktivisti für Umwelt- und Klimaschutz und eine bessere Politik einsetzen, wenn sich doch einfach nur magisch alles in Luft auflösen kann.

Da helfen die Kalendersprüche dann auch nichts mehr, oder Kühlschranksprüche, wie sie im Buch heißen:

»Ich bin zu alt für sentimentale Kühlschrankmagnet-Theorien und erst recht zu alt dafür, die zu sein, die ich sein könnte.«
Grace ironische Kommentare und ihre Gedanken zur Mathematik mochte ich aber. Wenigstens etwas.

Die Esoterik störte mich nicht nur, sie macht die Geschichte auch vorhersehbar und langweilig. 2 von 5 Sternen.