Wenn ein Neuanfang voller kleiner Wunder steckt

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Was aussieht wie Magie, ist einfach ein Teil des Lebens, den wir noch nicht verstehen...

Matt Haigs Roman "Die Unmöglichkeit des Lebens" hat mich von Anfang an in seinen Bann – nicht nur durch die Geschichte, sondern auch durch das ausdrucksstarke und doch schlichte Cover. Es zeigt das blaue, weite Meer, was für Einsamkeit steht, aber auch die Hoffnung und Neugierde auf einen Neuanfang weckt. Und genau darum geht es in diesem Buch dann auch tatsächlich...

Die Handlung folgt Grace Winters, einer pensionierten Mathematiklehrerin, die nach dem Tod ihres Sohnes in einem tristen, von Schuld und Reue geprägten Alltag gefangen ist. Ihre Komfortzone – oder vielmehr ihr Käfig – ist das sichere, aber freudlose Leben in England. Als sie von einer fast vergessenen Freundin ein heruntergekommenes Häuschen auf der Insel Ibiza erbt, siegt ihre Neugierde. Ohne Plan oder Rückflugticket bricht sie auf, um nicht nur die Geheimnisse um den mysteriösen Tod ihrer Freundin zu ergründen, sondern auch, um ihrer eigenen Vergangenheit zu entkommen.

Haigs Erzählweise ist sehr einfühlsam und zugleich sehr prägnant. In kurzen Kapiteln, die mal poetisch, mal philosophisch anmuten, nimmt er den Leser mit auf eine Reise der Selbstfindung und des Abenteuers. Grace entdeckt dabei nicht nur die idyllischen und wilden Seiten Ibizas, sondern auch La Presencia, ein mysteriöses leuchtendes Objekt unter der Wasseroberfläche, das der Geschichte einen Hauch von Magie verleiht.

Grace‘ Begegnungen auf der Insel, insbesondere mit dem exzentrischen Biologen Alberto Ribas, bereichern die Erzählung mit Spannung und Menschlichkeit. Ihre Suche nach Antworten wird zu einem Abenteuer, das tief unter die Oberfläche geht – sowohl im übertragenen als auch im wörtlichen Sinne, wenn Grace die Tiefen des Meeres erforscht. Hierbei schafft es Haig meisterhaft, die Balance zwischen realistischer Erzählung und fantastischen Elementen zu halten, ohne dass Letztere jemals überhandnehmen. Mir, als eine Person, die Fantasyromanen eher nicht so zugetan ist, hat genau diese Mischung wirklich gut gefallen.

Die Spannung des Buches liegt weniger in der Frage, ob Grace das Rätsel ihrer Freundin lösen kann, sondern vielmehr darin, wie sie es schafft, sich selbst wiederzufinden. Auf diese Art und Weise vermittelt der Roman eine (für mich) unglaublich wichtige Botschaft: Es ist nie zu spät für einen Neuanfang! Haig zeigt dies nicht nur durch Grace‘ Erlebnisse, sondern auch durch die Einbindung mathematischer und philosophischer Anspielungen und Vergleiche, die geschickt in die Handlung verwoben sind. Besonders berührend sind die Momente, in denen Grace sich selbst reflektiert und dabei tiefe Einsichten über Verlust, Hoffnung und die Bedeutung des Lebens gewinnt. Einige dieser Passagen sind so kraftvoll, dass sie mich auch nach Beenden des Buches noch weiter begleiten und mir im Alltag Anstöße geben über mein eigenes Leben nachzudenken.

Dennoch hat der Roman auch seine Schwächen. Einige Passagen wirken etwas zu süßlich oder klischeehaft. Und in diesen Momenten war mir die Erzählweise dann doch auch zu oberflächlich. Trotzdem hat mich die Geschichte insgesamt sehr berührt und vor allem auch inspiriert. "Die Unmöglichkeit des Lebens" knüpft ein wenig an den Erfolg von "Die Mitternachtsbibliothek" an, ohne jedoch dessen therapeutischen Charme zu kopieren.

Fazit: Matt Haig hat einen berührenden Roman über Verlust, Neuanfänge und die Magie des Lebens erschaffen. Grace Winters ist eine Protagonistin, die trotz ihrer Fehler und ihres Schmerzes sofort Sympathie weckt und deren Reise nach Ibiza sowohl spannend als auch emotional bewegend ist. Der Roman ist weniger ein Fantasy-Werk und mehr eine tiefgründige Reflexion über die Möglichkeiten, die uns das Leben bietet, wenn wir den Mut haben, aus unseren gewohnten Mustern auszubrechen. Für alle, die bereit sind, sich auf eine solch inspirierende Reise einzulassen, ist dieses Buch eine klare Empfehlung.