Schwer zu beurteilen, aber faszinierend

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malibu Avatar

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„Was wäre, wenn....?“ - Diese Frage stellt sich ein jeder von uns. Wie hätten wir gehandelt, könnten wir unser Leben korrigieren, verändern? Wäre es dann besser oder noch schlimmer geworden? Die Frage muss sich die Protagonistin des Romans von Kate Atkinson nicht stellen, denn ihr ist die Gabe gegeben, ihr Leben immer wieder zu korrigieren.

Ursula Todd lebt ihr Leben nach ihren Vorstellungen – denn anders wie andere kann sie es verändern, sie kann es korrigieren. Sie kann jeden Fehler beseitigen – doch wird das Leben dadurch besser? Auch sie erlebt, Verrat, Krieg und Tod. Wofür ist diese Gabe also gut? Kann man denn sein Leben überhaupt fehlerlos leben? Sie versucht es und lässt den Leser daran teilhaben.

Man erfährt gleich anfangs, wie Ursula geboren wird. Sie hat zwei Geschwister, erhält noch ein Brüderchen dazu. Im Jahre 1910 kommt sie zur Welt, stirbt fast dabei, bekommt aber nochmal eine Chance. Ihr ist es in die Wiege gelegt worden, Dinge zu verändern. Sie kann ihr Leben korrigieren, ihre Fehler ausradieren. Anfangs merkt der Leser von dieser Gabe noch nichts, es wird eher ihr Umfeld beschrieben. Mehr erfährt man von ihrer Familie und Freunde, als von ihr selbst.

Die Zeitsprünge sind manchmal etwas krass, sie gehen vor und zurück, nicht chronologisch. Man muss schon auf das Lesen konzentriert bleiben, denn eine leichte Lektüre ist dies keinefalls.

Auch der Schreibstil ist etwas kompliziert, einerseits leicht und dann wieder in gehobener Sprache mit Metaphern. Man muss schon bei der Sache sein, um auch alles klar zu verstehen. Dem Leser wird durch die Zeilen hindurch die Botschaft gegeben, dass man sein Leben nutzen sollte, wie es einem in den Schoß fällt. Trotzdem fragt man sich ständig, was man wohl tun würde, könnte man Fehler beseitigen. Würde man dann schwereloser durch die Welt gehen?

Man merkt schon, dass sich durch jede Korrektur im Leben von Ursula neue Fehler einschleichen. Das wäre ja, wie man vermutet – man kann ein Leben nicht perfekt führen, auch wenn man es verändert. Und – sind Fehler nicht da, um aus ihnen zu lernen? Die Erfahrungen, die man macht, sind sie für nichts gut? Man ist auf jeden Fall sehr gespannt, wie sich das Leben von Ursula durch die Korrekturen gestaltet und ob es am Ende wirklich perfekt ist – was wäre, wenn...?

Irgendwann kommt man derartig durcheinander, da Ursula immer wieder eine Korrektur ihres Lebens vornimmt – und es scheint so, als wüsste sie dann nie davon. Es ist zwar ein sehr außergewöhnlicher Roman, der einem zeigt, dass es nichts bringen mag, wenn man etwas Geschehenes ungeschehen machen würde, aber man ist dadurch so verwirrt, dass der Lesefluss immer wieder stockt. Da auch der Schreibstil etwas kompliziert ist, macht es das nicht einfacher – es behindert oft beim Lesen.

Man kommt immer wieder auf den Krieg zurück und zu den vergangenen gesellschaftlichen Schwierigkeiten. Man lernt hier die Größen des Krieges kennen, man mag fast meinen, die Autorin würde diese selbst kennen. Natürlich ist dies nur Fiktion und hätte so sein können, wäre es möglich. Im Vordergrund ist aber immernoch Ursula, um die es ja eigentlich geht und um ihre Fähigkeit, Dinge rückgängig zu machen.

Das Ende war irgendwie vorhersehbar, aber doch anders. Es könnte aber auch gar nicht anders sein, sonst wäre es blöd. Die Autorin hat mit diesem Werk zwar etwas Einzigartiges geschaffen, jedoch auch eine Stolperfalle durch den Lesefluss, was dem Buch einen Abzug gibt. Aber allein die Idee ist wirklich nicht schlecht und Hut ab, dass hier ein so schöner Roman hervorgegangen ist.

Für diejenigen, die abschalten möchten, ist dieses Werk bestimmt nichts. Hier muss man dabei sein und auch auf einiges gefasst sein – man muss richtiggehend konzentriert an die Sache gehen. Dennoch ist es ein aufschlussreiches Vergnügen für „zwischendurch“!