Und es wurde dunkel

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dicketilla Avatar

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Es beginnt an einem Tag im Februar 1910. Ein eisiger Schneesturm wütet und die dringend erwartete Hebamme erreicht ihr Ziel nicht. So stirbt das Kind, die Nabelschnur, die den Weg ins Leben frei machen sollte, um den Hals gewunden, erstickt den ersten Atemzug.
Doch dann ändert sich das Geschehen, ein schreiendes Kind bahnte sich seinen Weg ins Leben.
Ursula, kleine Bärin bedeutete.
Silvia , durch die Spielsucht des Vaters, nach dessen Tod in die Armut verfallen, heiratet nach dem Tod der Mutter, den aufstrebende Bankangestellten Hugh Todd. Sie mieten ein Haus und nennen es Fox Corner. Ursula war ihr drittes Kind, der fünfjährige Maurice und die dreijährige Pamela waren ihr voraus gegangen. Trotz ihres beängstigenden Starts ins Leben, wuchs sie gut voran. Wie eine kleine Soldatin wusste sie ihre Geschwister zu führen. Besonders Teddy, kurz nach ihr geboren, wuchs ihr sehr ans Herz.

Doch immer war diese Dunkelheit, ein überwältigendes Gefühl der Angst in ihr.
“ Und manchmal wusste sie auch, was jemand gleich sagen würde, bevor er es sagte, oder was für ein alltäglicher Vorfall sich demnächst ereignen würde - ob ein Teller herunterfallen oder ein Apfel in ein Gewächshaus geworfen würde, als wären diese Dinge schon oft passiert. Worte und Sätze waren ein Echo ihrer selbst, Fremde schienen alte Bekannte.” (S.135)
Sie hatte diese Dèjá vus in sich, wie als läge ein Teil ihrer Zukunft bereits hinter ihr.

Das Leben der Familie Todd, wunderbar britisch erzählt, und zwischen ihnen Ursula, die versucht deren Leben immer wieder zu verändern. Ihr Bruder Jimmy nach Ende des ersten Weltkrieges gezeugt, nicht wissend, dass er später in einen weiteren Krieg ziehen wird. Ihren geliebten Bruder bereits als Kind vor der schweren Grippe rettend, indem sie die Haushaltshilfe die Treppe hinunter stößt, da diese der Überträger sein würde. Ihr eigenes Leben immer wieder an den unterschiedlichen Orten für Verwirrung und Leid sorgt. Doch kann man dem Schicksal entkommen?
Eine Geschichte erzählt zwischen zwei Kriegen. Das Aufkeimen einer braunen Masse, die sich bald mit ihrer Verderblichkeit, über blühendes hinwegsetzt. Das Ausmaß zerbombten Städte, das Leid der Bevölkerung in sich tragend. Egal ob in London oder Berlin, Tod und Entbehrungen überall gleichermaßen schrecklich. Und die Frage stellt sich, wäre dieses Kind Adolf Hitler nie geboren, wäre das Leid erspart geblieben, dass so zahlreich und unmenschlich von ihm ausging.

Es ist keine einfache Geschichte, langsam deren Sinn erkennen lässt, dann aber ihre geballte Aufmerksamkeit einfordert. Erinnert wird man etwas an “Die Frau des Zeitreisenden” von Niffenegger.
Kate Atkinson zeigt, dass Verlust, Verrat, Krieg und Tod ihre Heldin dennoch nicht verhindern kann. Der Leser sich die Frage stellt, ob ein fehlerloses Leben möglich und erstrebenswert wäre.
Und dennoch hat man immer eine Wahl, möge sie auch noch so gering sein, man sollte sie zum Guten nutzen.

“Sie kannte die Stimme. Sie kannte die Stimme nicht. Die Vergangenheit schien in die Gegenwart zu sickern, als ob irgendwo eine undichte Stelle wäre. Oder war es die Zukunft, die in die Vergangenheit tropfte? Beides wäre ein Alptraum, es war, als ob ihre innere dunkle Landschaft offenbar, das Innere das Außen geworden wäre. Die Zeit war aus den Fugen geraten, das stand fest.” (S. 562)