wie eine Katze, die den eigenen Schwanz jagt ...

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Auf 585 Seiten beschreibt Kate Atkinson das Leben von Ursula Beresford Todd, geboren an jedem verhängnisvollen, schneereichen 11. Februar 1910. Bereits hiermit ist klar, dass Ursula - bei normaler Lebenserwartung - zwei Kriege erleben wird. Doch ob Sie dieses Leben überhaupt je leben wir ist eine andere Frage. Es ist eine schwere Geburt und ihre Mutter Sylvie hat hart zu kämpfen - der Arzt steckt im Schneechaos fest. Kapitel zwei und drei handeln von diesem ersten Tag im Leben der Ursula Todd. Einmal überlebts es das Baby, Dr. Fellows, der Arzt, kam rechtzeitig. Das andere Mal nicht - es wurde dunkel und es fällt Schnee - im Buch zieht sich diese Metapher für den Tod beständig hindurch. Diese beiden Kapitel machen dem Leser klar, um was es in dem Buch gehen wird: Es sind die winzig kleinen und kurzen Augenblicke in denen wir uns oft nicht einmal bewusst dazu entscheiden etwas anders zu tun und damit unserem Leben eine völlig neue, oft entscheidende Wendung zu geben! Ursula selbst erlebt diese schicksalhaften Momente oft mit dunklen Vorahnungen oder déjà-vue Gefühlen, weshalb sin in jungen Jahren zum Psychater geschickt wird. Ganz im Gegenteil zu ihren Geschwistern Pamela, Maurice, Teddy und Edward oder die Hausangestellten, die ihrem vorbestimmten Schicksal einfach ausgeliefert zu sein scheinen. Die beiden Kriege - v.a. der 2. Weltkrieg nimmt im Buch eine dominierende Rolle ein und Ursula selbst lernt als Ich-Erzählerin Adolf Hittler und Eva Braun kennen. Besonders eindrucksvoll und aufwendig recherchiert sind die Beschreibungen vom Obersalzberg und Berchtesgaden in Erinnerung geblieben. Zu loben ist definitiv der historische Bezug und die differenzierte Schilderung der Ereignisse. Ursula erlebt den Krieg in einem Kapitel von Deutschland aus - im anderen lebt sie in London. Geschildert werden so zwei völlig verschiedene Perspektiven - die mir als Leser tatsächlich lange keine Ruhe gelassen haben. Generell ist es wirklich spannend, die tausend Leben der Ursula Todd zu lesen und sich bewusst zu machen, wie viele Abzweigungen und Wege das Leben für uns bereithält.
Die Geschichte ist natürlich - gemäß dem Titel - unvollendet, denn der Leser kann im Prinzip selbst entscheiden, welches Leben er Ursula Todd zuschreibt. Generell sind auch alle realistisch und historisch möglich - abgesehen von einem Weg, als sie Hittler erschießt - und damit den 2. Weltkrieg abwendet.
Empfehlenswert ist dieses Buch definitiv, ich habe kaum Beanstandungen und werde es sicher auch das eine oder andere Mal verschenken. Besonders positiv sind mir die historischen Einblicke in Erinnerung geblieben und auch die Sprache und den Handlungsfluss habe ich als äußerst angenehm und anwechslungsreich empfunden. Die Botschaft des Buches begleitet den Leser sicher noch einige Tage über das Lesen hinaus - frei nach dem Motto: "was wäre wenn...?"