Die Opfer des Zweiten Weltkrieges

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
büchersally Avatar

Von

Die Vergessenen lässt die Opfer des Zeiten Weltkriegs zu Wort kommen, die bisher immer vergessen wurden. Es geht um Euthanasie, ein normalerweise bekannter Begriff für würdige Sterbehilfe. In der Zeit des Zweiten Weltkriegs war das leider nicht so. Damals wurde er eng mit dem Begriff der Rassenhygiene verknüpft. Vor allem schutzlose Kinder, die geistige oder körperliche Behinderungen hatten, wurden in speziellen Anstalten „gepflegt“.

Ellen Sandberg nimmt diese unmenschlichen Taten zum Anlass, auf ein nahezu vergessenes Thema aufmerksam zu machen. Sie beleuchtet dabei nicht nur die heutige Sicht, sondern versucht ebenfalls, die Beweggründe der Täter und Mittäter zu verdeutlichen. Vom gegenwärtigen Standort gesehen, ist eine Schuldzuweisung leicht auszusprechen. Es ist aber mehr zu berücksichtigen. Am Beispiel von Katharina verfolgen wir, wie das Bewusstsein, den Kindern in den Hungerhäusern nicht zu helfen, Gestalt annimmt. Gemeinsam mit einem Assistenzarzt schafft sie Beweise in Sicherheit, um nach Ende des Krieges die Täter anzuklagen. Doch auch 60 Jahre später schweigt sie. Nachdem Kathrin einen Schlaganfall erlitten hat, vertraut sie ihrer Nichte Vera, einer Journalistin, ihre Tagebücher an. Schnell stößt diese auf das Thema und recherchiert. Sie stellt dabei die moderne Denkweise dar und will Transparenz in die staubigen Ablagen bringen. Sie will aufdecken, wer damals den Auftrag zum Morden gegeben hat, auch wenn sie emotional durch ihre Tante verwoben ist.

Wie ein Gegenspieler erscheint ein junger Grieche, dessen Familie ebenfalls durch den Krieg traumatisiert ist. Manolis führt Aufträge aus, wo andere lieber alles verdecken würden. So auch hier. Sein Auftraggeber will in den Besitz von Akten kommen, die ihm schaden könnten. Die Wege von Vera und Manolis kreuzen sich immer wieder und bald erkennt der Leser, dass sie wohl dasselbe Ziel verfolgen. Je mehr Vera erfährt, desto gefährlicher wird es für sie. Auch Manolis ist ein Kind der Gegenwart, wird aber durch die Not der eigenen Eltern und Rachegedanken getrieben.

Man merkt es der Autorin an, dass sie ansonsten Krimis schreibt. Das historische Thema wurde gut mit dem Heute verknüpft und ist zum Teil ein atemraubender Wettlauf gegen die Zeit. Wie nebenbei wird das Hauptthema Euthanasie in seiner Monstrosität aufgedeckt und gleichzeitig ein relativ objektiver Blick freigegeben. Es wird nichts beschönigt, aber auch nicht plump mit dem Finger auf den Schuldigen gezeigt. Langsam zieht sich die Schlinge um den Schuldigen zu, wobei immer bedacht werden muss, dass auch dieser inzwischen 64 Jahre älter ist. Diese lange Zeit hat er sein Verhalten mit seinem Gewissen vereinbaren müssen. Hat er nur getötet, um selber am Leben zu bleiben?

Der Roman mit der komplexen Handlung ist spannend, hat zwei Zeitebenen und stimmt nachdenklich. Was die einen vergessen wollen, ist für die anderen ein ständiger Begleiter und beeinflusst auch noch die folgenden Generationen. Mit Fingerspitzengefühl wurden die eingängigsten Gedanken dazu behandelt und für alle Figuren Verständnis gezeigt. Die Charaktere hatten Pflichtgefühl, ein Gewissen und vor allem aber auch Bedürfnisse. Das Buch bekommt also eine unbedingte Leseempfehlung.