Diamonds are a Girl's best Friends

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Obwohl mir "Sommer in Maine" nicht gefallen hat, habe ich mich von den Stichworten 'de Beers' (südafrikanisches Diamanten-Monopol) und 'alleinstehende berufstätige Frau im Jahr 1947' von Courtney Sullivans zweitem Gesellschaftsroman einfangen lassen. Fünf durch einen klassischen Diamant-Verlobungsring sehr lose miteinander verknüpfte Handlungsstränge spielen zwischen 1947 und der Gegenwart. Auf den Roman neugierig gemacht hat mich die Figur der Frances Gerety, Texterin des Werbeslogans "Diamonds are forever", die sich bewusst für ihre Karriere und gegen Heirat und Kinder entschied und damit Staub in der männlich geprägten Werbebranche aufwirbelte. Der Traum von verschwenderischen Märchenhochzeiten und kostspieligen Verlobungsringen steht bei Sullivan stellvertretend für Beziehungen, die in erster Linie gesellschaftlichen Konventionen genügen und die Träume der Eltern des Paares erfüllen sollen, anstatt das Hochzeitspaar selbst glücklich zu machen. Kate, die diese und andere Konventionen ablehnt und intensiv an ihrer Partnerbeziehung arbeitet, ahnt als einzige Figur, dass die Diamantenkäufe der amerikanischen Nachkriegsgeneration die Kassen des de Beers-Konzerns füllten und damit das südafrikanische Apartheidssystem stützten. Eine geplante Märchenhochzeit wird zwischen Kates Cousin Jeff und seinem Partner stattfinden. Kate muss während der Hochzeitsvorbereitungen zu ihrer großen Enttäuschung erkennen, dass sich trotz ihrer betont klischeefreien Erziehung in der folgenden Generation nichts geändert hat und kleine Mädchen noch immer mit Schmuck und schönen Kleidern zu beeindrucken sind. Evelyn und Gerald setzen überholte Konventionen fort, indem sie von ihrem Sohn erwarten, dass er seine Eltern durch Heirat und Familiengründung glücklich zu machen hätte. Der Handlungsstrang um Evelyn und Gerald spielt in den 70ern, als eine Scheidung oder Trennung - im geschilderten katholischen Umfeld - eine gesellschaftliche Katastrophe gewesen sein muss. Delphine aus Paris verliebt sich während des Verkaufs einer Stradivari in ihrem Geschäft in einen zwanzig Jahre jüngeren amerikanischen Musiker. James und Sheila, deren Lebensumstände von allen Paaren auf mich am realistischsten wirkten, kämpfen täglich ums Überleben, weil James mit einer 50-Stunden-Woche als Rettungssanitäter seine Familie kaum ernähren kann. Frances Geretys Schicksal (das mich am stärksten interessierte) bildet leider nur den Rahmen und wird nicht vertieft.

Während ich die erste Hälfte des Romans mit Spannung gelesen haben, in der Hoffnung, über Frances Alltag mehr zu erfahren, entfernten sich in der zweiten Hälfte die Handlungsstränge durch Exkurse nach Paris-Montmartre und in die Geschichte der Homosexuellen-Ehe weiter voneinander, ehe sie in einem charmanten Schluss endlich doch noch zusammengeführt wurden. Sullivans ausgeprägtes Dozieren zum Thema Homosexuellen-Rechte lässt vermuten, dass sie in den USA nicht so selbstverständlich sind, wie man erwarten sollte. Selbst im Bewusstsein, dass sich die Welt 40 Jahre nach Evelyn und Gerald zum Glück weitergedreht hat, vermisse ich bei Cortney Sullivans Protagonisten ähnlich wie in "Sommer in Maine" den Mut zu neuen Lebensentwürfen, wenn die gewohnten Rollenmodelle nicht mehr passen. Ob der Diamantring als Ausdruck gegenseitiger Verpflichtung die Handlungsstränge verbindet oder doch eine andere Symbolik, wird jeder unterschiedlich sehen.

"Verlobungen" empfehle ich Leserinnen, die sich für Beziehungen und Hochzeiten interessieren und die die Geduld für ein Buch aufbringen, das einen auch nach 300 Seiten noch im Unklaren darüber lässt, wohin die Handlung steuern wird.