Verheimlichte Adoption

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redcat Avatar

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Ich finde, dass die Leseprobe angemessen lang, so dass man einen sehr guten Eindruck vermittelt bekommt und neugierig macht, da erstmal nur die „Gegenwart“ thematisiert wird. Wie es zu dem „Jetzt“ gekommen ist, das wird sich dann durch die akribische Suche von Anna wohl ergeben, Ich denke und hoffe, dass die Vergangenheitsaufdeckung ein spannendes und aufrüttelndes Puzzle ist. Der Schreibstil ist flüssig und leicht zu lesen, es schwingt immer etwas Melancholisches mit.
Dass das Thema der „Verdingkinder“ aufgegriffen wird finde ich gut. So etwas sollte nicht unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit verschwinden!

Der Roman startet im Jahr 2008 und beginnt mit einem Prolog, der ziemlich geheimnisvoll ist, da erstmal nur von „sie“ die Rede ist. Es hat den Eindruck, dass Anonymität, höchste Priorität hat, da auch die Protagonistin unerkannt bleiben möchte, als sie nach langem Zögern ihre Schwester, mit der sie keinen Kontakt mehr hat, anruft, ohne etwas zu sagen. Dies steigert gleich die Neugier und das Interesse am Handlungsgeschehen.
Wir lernen Anna (Ende 20 Jahre) kennen, die kurzfristig von ihrem Wohn- und Arbeitsort Zürich nach Konstanz muss, da ihre Mutter nach einem Fahrradunfall ins Krankenhaus muss.
Anna ist sehr sensibel und hat immer ein ungutes Gefühl wenn sie mit ihrer Mutter zu tun hat, da sie stets das glaubt, nicht gut genug zu sein, den Ansprüchen und Anforderungen ihrer Mutter nicht zu genügen, was sie sich immer sehr zu Herzen nimmt.
Auf der Suche nach bestimmten Versicherungsunterlagen macht sie eine Entdeckung, die ihr „Ich“ als solches neu definiert. Sie ist nicht die, die sie immer geglaubt hat zu sein – nämlich Anna Volkmann – sondern ihr Geburts-Vorname ist Regula!

Heftig! Es ist der Wahnsinn, dass man – das heißt die Adoptiveltern (Johannes und Ines Volkmann) – nie erzählt haben, dass Anna adoptiert ist. Es ist nahezu schon unverantwortlich, dass die Adoptiveltern scheinbar die Absicht hatten, dieses Geheimnis mit ins Grab zu nehmen. Anna muss sich ja – sorry – echt verarscht vorkommen. Da muss einem ja richtig schwindelig und übel werden, wenn das ganze Leben schlagartig auf den Kopf gestellt wird und die Frage nach der Identität neu beantwortet werden muss. Wenn das einst Vertraute plötzlich zum Fremdkörper wird. Gleichzeitig aber werden Erinnerungen an Empfindungen wach, die ihr immer das Gefühl, doch irgendwie „fehl am Platz“ zu sein.

Versöhnlich stimmt dann einem aber die Aussprache von Anna und ihrer Adoptivmutter Ines und es wird einem klar, dass die Liebe von Ines zu Anna eine 'besondere, eine andere' war, als man sich die von einer leiblichen Mutter vorstellt.