Marie und Lena und zu viele andere

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bavaria123 Avatar

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Als ich das Buchcover gesehen hatte, sind mir gleich zwei andere sehr ähnliche in den Kopf gekommen. "Solange die Hoffnung uns gehört" und "Das Haus der verlorenen Kinder"...und richtig. Sie stammen ebenfalls von der Autorin Linda Winterberg. Das Cover finde ich sehr schön, die Farbe und das Motiv weisen ein wenig in die Vergangenheit...

Aber welch unglaubliche Vergangenheit schildert die Autorin in diesem Buch "Die verlorene Schwester"! Sie entführt uns Leser in die Schweiz. Ein zivilisiertes Land, so sollte man meinen. Ein wenig ins Nachdenken kommt man dann, wenn man die historischen Umstände der Geschichte erfährt. Es geht um "Verdingkinder", jene jungen Menschen, die zwischen 1800 und Ende der 1970er Jahre (!!!) in fürsorgerische Zwangsmaßnahmen überführt worden sind. Fürsorge klingt gut, Zwang eher nicht. Und so erging es auch den Kindern, mal mit viel Glück etwas besser, mal aber richtig schlecht. Sie waren dem Missbrauch, Willkür, Gewalt, Hunger und der Lieblosigkeit ausgesetzt. Wie viele Kinder es wirklich waren ist unbestimmt, die Zahlen variieren zwischen 50.000 und 100.000.

Linda Winterberg hat sich der Thematik der Verdingkinder in diesem Roman mit Erzählsträngen in der Gegenwart und der Vergangenheit angenommen. Die drei Hauptpersonen Marie, Lena und Anna bzw. Regula charakterisiert sie dabei so, dass ich mit allen dreien mitfühlen konnte. Meine Gefühlswelt schwankte dabei zwischen emotional, traurig, wütend und dabei war ich immer wieder erschüttert.

Die Autorin hat eine gute Recherchearbeit geleistet, das merkt man, wenn man Berichte von Zeitzeugen liest. Diese genaue Betrachtung der Vergangenheit präsentiert sie in dem Buch gefühlvoll und spannend.
Kleine Fehler wie beispielsweise ein überschüssiges "e" im Satz auf Seite 263 "Hier könnte ihr nicht bleiben" toleriere ich da obwohl ich arg kritisch bin doch gerne.

Mir wird dieses Buch und vor allem der reale, erschreckende und gar nicht so weit in der Vergangenheit liegende Hintergrund noch lange im Bewusstsein bleiben.
Ich kann hier nur aus vollem Herzen alle fünf Sterne geben und wünsche dem Buch viele Leser!