Zwei Mütter

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ingrid_ Avatar

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London 1754: Schweren Herzens muss Bess ihre nicht einmal einen Tag alte Tochter im Foundling Hospital, einem Waisenhaus, abgeben. Sie lebt unter ärmlichen Verhältnissen und kann sich ein Kind einfach nicht leisten.
Sechs Jahre später kehrt sie dorthin zurück und möchte sie abholen. Dort angekommen sagt man ihr jedoch, sie habe ihr Kind bereits einen Tag nach Abgabe wieder abgeholt. Bess ist geschockt. Wer hat ihre Tochter? Eine Suche durch London beginnt und Bess hat nicht vor aufzugeben, bevor sie ihr Kind wieder in die Arme schließen kann.

Stacey Halls beschreibt das damalige London so überzeugend, dass man das Gefühl hat man wäre dort. Ihre Beschreibungen der Gerüche, Gefühle und der Menschen, die in dieser Stadt leben, erinnerten mich ein wenig an „Das Parfum“ von Patrick Süskind, dass ich vor kurzem las.
Sie erzählt uns hier eine Geschichte über das untrennbare Band zwischen einer Mutter und ihrem Kind und wie weit sie breit ist dafür zu gehen, wieder mit ihm vereint zu sein.

Die beiden Frauen aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird könnten unterschiedlicher nicht sein. Nur in einer Sache sind sie sich gleich. Beide verloren ihre Mutter in jungen Jahren. In ihnen wuchs der Wunsch selbst Mutter zu werden. In allem anderen sind sie grundlegend verschieden.
Bess erscheint als eine liebevolle und fürsorgliche Mutter, die ihrer Tochter Liebe entgegenbringt und eine Zukunft für sie beide plant.
Im Gegenzug dazu wirkt Alexandra kalt und distanziert. Sie wird komplett von einem schrecklichen Ereignis aus ihrer Vergangenheit beherrscht. Viel liebe zu ihrer Tochter spürt man nicht. Sie will sie kontrollieren und mit sich einsperren.
Das Cover bekommt durch diese Erkenntnis noch mehr Bedeutung.

„Ich erzähle ihm von Alexandra Callard und davon, dass sie die Bilder ihrer
Eltern streichelt, ihre eigene Tochter aber nicht anfassen kann.“ S. 255

Alexandra schenkt ihr ein komfortables Leben im Luxus, während Bess die kalten und harten Seiten Londons seit ihrer Geburt zu spüren bekommt. Während die eine in der Rolle einer Mutter aufblüht, scheitert die andere.

Was mir besonders an diesem Roman gefällt ist die einfache und dennoch beschreibende Sprache, die die Autorin verwendet. Oft werden Bücher, die besonders in dieser Zeit und naheliegenden spielen, in einer hochgestochenen und teils etwas zähen Sprache geschrieben. Bei diesem Buch fließt man jedoch ohne zu stocken durch die Geschichte.

Das einzige, was mich dennoch gestört hat, war das ich ein paar der Entscheidungen der Charaktere nicht nachvollziehen konnte. Sie wirkten auf mich einfach out of character für diese Personen, die mir in den letzten 200 Seiten vorgestellt wurden.

Fazit:
Ein toller Roman über zwei Frauen, die in unterschiedlichen Welten Leben, die jedoch der Wunsch danach Mutter zu sein vorantreibt.
Durchgängig hat das Buch keine Längen. Einzig und allein einige Handlungen der Charaktere sind für mich nicht so ganz nachvollziehbar.