Wo Worte verbinden und Fantasie die Realität heilt

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nimona Avatar

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Die junge Autorin Ida Hermann hat ihre Worte verloren; sie kann nicht mehr schreiben, ihr Kopf ist wie leergefegt. Schließlich muss sie einen Job als Haushaltshilfe annehmen, um sich über Wasser halten zu können. Eine Annonce, die ihr Postbote ihr aus Gutmütigkeit vorbeibringt, führt sie zu einem Anwesen, dessen Herrin eine verschroben anmutende, ältere Dame ist. Während diese ihre früheren Haushaltshilfen allesamt vergrault hat spürt Ida eine Verbindung, über die sie Frau Selig zu erreichen scheint. Die gemeinsame Leidenschaft für Worte. Und gleichzeitig sind es die Worte, die beiden irgendwie abhanden gekommen zu sein scheinen.

Die Art und Weise, wie Ida die einzelnen Seiten von Frau Seligs Lebensgeschichte zu einer Geschichte zusammenfügt, neu schreibt, und damit Stücke von sich selbst findet, hat mich ein kleines bisschen an „Die sieben Männer der Evelyn Hugo“ von Taylor Jenkins Reid, die Idee selbst ein wenig an „Das Lavendelzimmer“ von Nina George erinnert.

Man muss aber Katharina Secks Schreibstil mögen. Er ist besonders, fantasievoll und sehr bildhaft - einige würden ihn aber möglicherweise als schwurbelig beschreiben, was er vielleicht auch stellenweise ist. Für mich sind die Bilder, die Katharina Seck mit ihren Worten malt, nichtsdestotrotz eine willkommene Abwechslung zum aktuellen TikTok-Mainstream, der unterhaltsam ist, aber zum Teil einfach etwas charakterlos wirkt. Secks Hauptcharaktere sind keine überzeichnete Version ihrer selbst. Häufig müssen sie sich neu kennenlernen, mit prägenden Ereignissen umgehen, mühevoll verlorene Stücke ihrer Identität zurückerobern, Ängste überwinden, mutig sein.

Wer Katharina Seck mag, wird daher auch "Die Vermesserin der Worte" schätzen. Eine berührende Geschichte voller Menschlichkeit.