Ein ungleiches Paar

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amara5 Avatar

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Die Autorin Katja Oskamp schöpft in ihrem neuen lesenswerten Roman „Die vorletzte Frau“ autobiografisch geprägt aus ihrem eigenen Leben – ehrlich, schonungslos und intensiv beschreibt sie in fünf pointierten Kapiteln ihre 19 Jahre währende Liebe zu ihrem Lebensmenschen Tosch, dem berühmten, vielfach ausgezeichneten Schweizer Schriftsteller Thomas Hürlimann.

Die Ich-Erzählerin und junge Mutter von Tochter Paula steckt in einer kaputten Ehe mit einem selbstverliebten Generalmusikdirektor, putzt sich zwanghaft die Zerrissenheit vom Leib und besucht wöchentlich eine Psychoanalytikerin, als sie im Literaturinstitut auf ihren 19 Jahre älteren Dozenten Tosch und ihre große Liebe trifft – auch er steckt in einer unglücklichen Beziehung und beide erleben ein sexuelles Erwachen, das Oskamp eindringlich schildert. Auch intellektuell inspirieren sich die beiden, tauschen sich tiefgehend über Literatur und das Schreiben aus, beschließen einen Zumutungspakt und verbringen von nun an ihr Leben mit „Sex und Text“ am Wochenende zusammen. Doch Tosch ist nicht nur wichtiger Mentor und Lektor, er ist auch freiheitsliebend, hat dominante Seiten und erkrankt später schwer an Prostatakrebs – ein noch stärkeres Ungleichgewicht entsteht, als Oskamp mehr und mehr zur Pflegerin ihres Mannes wird und sich selbst verliert.

Die Krankheit und ihre Auswirkungen auf den Alltag seziert Oskamp unbeschönigt sowie en détail und mutet ihren Leser*innen dabei viel zu – auf der anderen Seite versteht sie es auch, Humor sowie Lebensweisheit miteinzubinden und den Text flüssig-unterhaltsam zu halten. Bewegend erzählt sie von ihrem persönlichen Wendepunkt, als das pendelnde Dreieck Mutterschaft, Schreiben und Liebe langsam in sich zusammenbricht: Paula geht selbstständig ihren Weg und eine tiefe Schreibblockade taucht auf. Oskamp wird Fußpflegerin in Berlin, schreibt bittersüße Kolumnen über ihre Kundschaft und legt den Startschuss für ihren späteren erfolgreichen Roman „Marzahn, mon amour“.

Das Aufflammen und Abbrennen einer großen Liebe, eine lebensbedrohliche Krankheit mit ihren Zumutungen, der Weg einer unterwürfigen Frau zur selbstbewussten Schriftstellerin – ergreifend, selbstironisch und mit viel mutig-explizitem Klartext, der unter die Haut geht, stülpt Katja Oskamp offenherzig ihr Innerstes nach Außen und erzeugt viele intensive, lebensnahe Momente, die länger in Erinnerung bleiben.