Von der Geliebten zur Pflegerin: Ein Roman über das Altern und die Rollen einer Frau

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
xxholidayxx Avatar

Von

„Die vorletzte Frau“ ist ein autobiografischer Roman von Katja Oskamp, der die Beziehung zwischen einer jungen Frau (sie selber) und einem berühmten Schriftsteller erzählt. Oskamp schildert ihre Rolle als Geliebte, Vertraute und Pflegerin eines Mannes, dessen Krankheit ihre Beziehung verändert. Dabei beleuchtet sie nicht nur die Höhen und Tiefen ihrer Liebe, sondern auch das Altern und die Veränderungen im Leben einer Frau. Katja Oskamp, geboren 1970 in Leipzig, arbeitete nach ihrem Studium unter anderem als Fußpflegerin, was ihr viele Geschichten über Menschen und ihr Leben lieferte. Neben ihrer literarischen Karriere, die 2003 mit „Halbschwimmer“ begann, ist sie auch für ihr Buch „Marzahn, mon amour“ bekannt.

Worum geht's?

Oskamp erzählt von der intensiven Beziehung zwischen einer jungen Frau und einem älteren Schriftsteller. Als sie sich kennenlernen, ist sie eine aufstrebende Autorin und Mutter, während er bereits ein etablierter Schriftsteller ist. Ihre Beziehung beginnt voller Leidenschaft und Heiterkeit, doch als er schwer erkrankt, wird ihr gemeinsames Leben zum Ausnahmezustand. Die junge Frau wird von der Geliebten zur Pflegerin, und das Lebensglück beginnt zu schwinden. In dieser schwierigen Zeit beginnt sie, sich mit ihrer eigenen Vergänglichkeit und den Veränderungen auseinanderzusetzen, die das Älterwerden mit sich bringt. Gleichzeitig entdeckt sie die Notwendigkeit eines neuen Lebens jenseits der Rolle, die sie für den Schriftsteller gespielt hat.

Meine Meinung

Ich bin sehr gut in das Buch reingekommen. Es war mein erstes Werk von Katja Oskamp, und ich war sofort angetan von der klaren und sensiblen Sprache. Die kurzen Kapitel und die übersichtlichen Abschnitte mit Zwischenüberschriften machten den Einstieg leicht. Besonders beeindruckt hat mich, wie Oskamp das Thema des Älterwerdens und die Rolle der Frau im Laufe der Zeit verarbeitet. Sie setzt sich nicht nur mit dem Altern generell auseinander, sondern schildert eindrucksvoll, wie sich der Blick von außen auf sie als Frau verändert hat. Eine sehr starke Passage ist unter der Zwischenüberschrift „Vom Rand aus“ zu finden. Aber auch anhand dieses kurzen Zitates hier wird es deutlich:

"Heute weiß ich, dass die Krise eine Drei-Komponenten-Krise war. Als Mutter auf Eis gelegt, als Geliebte weder gebraucht noch brauchbar, als Schriftstellerin aussortiert: Die Bestandteile potenzierten sich zu einer dreifachen Unsichtbarkeit. Die Rollenauswahl sank auf null." (Seite 120).

Dieser Satz hat mich besonders berührt, weil er so präzise die Zerrissenheit beschreibt, die viele Frauen im Laufe ihres Lebens erleben – zwischen Mutterschaft, Partnerschaft und beruflicher Erfüllung.

Leider zog sich der Mittelteil des Romans für mich etwas in die Länge. Die Reflexionen, die zu Beginn noch sehr eindringlich wirkten, wurden für meinen Geschmack zu ausufernd und sorgten dafür, dass das Lesen zeitweise anstrengend wurde. Es fehlte hier ein wenig an Dynamik. Dennoch gibt es immer wieder wunderbare Passagen, in denen Oskamp die Schönheit und Hässlichkeit des menschlichen Lebens und Alterns auf eine sehr ehrliche und poetische Weise beschreibt.

Was mich jedoch sehr gestört hat, war der Verzicht aufs Gendern. Gerade in einem Buch, das sich mit den gesellschaftlichen Rollen von Frauen so intensiv beschäftigt, hätte ich es als zeitgemäß empfunden, wenn Oskamp eine geschlechtergerechte Sprache verwendet hätte. Das hätte die Themen des Buches noch stärker unterstrichen.

Fazit

Insgesamt hat mir „Die vorletzte Frau“ trotz einiger langatmiger Passagen gut gefallen, vor allem wegen der feinfühligen Sprache und der tiefen Reflexion über das Älterwerden. Auch wenn ich das Buch aufgrund der Länge und der fehlenden Spannung im Mittelteil nicht durchweg packend fand, hat es doch viele wichtige und berührende Momente. Für mich ein solider Roman, der zum Nachdenken anregt. Ich vergebe 3 von 5 Sternen.