Gesellschaftskritik in phantastischem Gewand

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N.K. Jemisin - Die Wächterinnen von New York
Übersetzt von Benjamin Mildner

Inhalt:
New York erwacht zum Leben. Die Stadt ist lebendig, so wirklich. Sie kappt ihre Nabelschnur und möchte eigenständig auf ihren Füßen stehen. Bei der Erwählung ihres Avatars läuft etwas schief. Der Feind hat das Gebiet schon infiltriert und möchte diesen Schritt verhindern. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

Cover und Buchgestaltung:
Das Cover passt perfekt zum Inhalt des Buches. Das schwarz-weiß Foto der Brücke gibt die bedrohliche Grundstimmung wieder. Die bunten Elemente zeigen die Diversität der Stadt und ihrer Wächter*innen. Das Buch des Tropen Verlages ist sehr hochwertig hergestellt und die Bindung ist in den Farben des Schutzumschlages gestaltet.
Es befindet sich eine Karte von New York am Anfang des Buches, die einen wichtigen Überblick über die Orte des Geschehens gibt und mir geholfen hat, alles räumlich einzuordnen.

Schreibstil und Aufbau:
Der Schreibstil in diesem Buch hat etwas sehr besonderes. Er vereint auf ungewöhnliche Weise die Charakteristik New Yorks. Der Urbane Lebensraum, der Schauplatz und Protagonisten*innen darstellt, erlangt durch die Wortwahl eine immense Ausdrucksstärke.
Es gibt einen allwissenden Erzähler in der dritten Person, der alle Gefühle und Gedanken kennt. Zudem wird ein Protagonist als Ich-Erzähler aufgeführt. Diese Szenen sind sehr besonders, da dort ungefiltert alle Gedanken aufgeschrieben werden. Die Sprache ist derb und direkt.

Meinung:
Was ein Buch. Diesem Trilogieauftakt gerecht zu werden, fällt mir schwer. Für mich fühlte sich das Buch sofort progressiv an. Der Prolog hat mich direkt in der Handlung geworfen, auch wenn ich zunächst genauso verwirrt war, wie der Protagonist selbst.
N.K. Jemisin schafft es, dass ich mich sofort mit den Protagonisten*innen identifizieren konnte und ihre Gefühle verstanden habe. Ich wollte einfach nur das Rätsel lösen, das plötzlich in den Köpfen der Wächter*innen aufgetaucht ist.

Die Atmosphäre ist dicht, gedrängt und chaotisch. Es fühlt sich an, als würde ich mitten in dieser Großstadt stehen, im Mittelpunkt eines Strudels voller Gedanken, Gefühle und Problematiken der Menschen dort.
Für mich fühlte sich das verwirrend, lebendig und grandios an. Ich war quasi eine lesende Ambivalenz.

Die Autorin hat einen sehr diversen Cast an Protagonisten*innen zusammen gestellt, der viele verschiedene Charaktere, Ethnien und Altersstufen abbildet. Die Auswahl finde ich sehr gelungen. Außerdem schafft sie es in dieser phantastische Geschichte mit Horrorelementen auch viele gesellschaftskritische Themen einzuflechten. Rassismus und Transfeindlichkeit werden unter anderem angesprochen und ihre Figuren beziehen klar Stellung gegen jede Form der Diskriminierung.

Ich mag den Handlungsaufbau des Buches, dass unwissende Protagonisten*innen vor ein Problem gestellt und mit neuen Fähigkeiten ausgestattet werden. Sie müssen zunächst ihren Instinkten vertrauen. In diesem Buch müssen sich die Menschen zusätzlich einem Wettlauf gegen die Zeit stellen und sich als Gruppe finden. Über die weitere Entwicklung möchte ich gar nicht mehr verraten. Die Geschichte ist spannungsgeladen und jede*m, der oder die sich von meiner Ausführung angesprochen fühlt und gerne in etwas Neues eintaucht, empfehle ich dieses Buch. Ich konnte jede einzelne Seite genießen und mich der einzigartigen Dynamik hingeben.