Eine von uns
Die Familie können wir uns nicht aussuchen. Wir werden hineingeboren – mit all den Wünschen, Erwartungen und Schmerzen, die Familienmitglieder auf uns projektieren. Dagegen können wir uns nur in gewissen Maßen wehren. Kommt es zum Äußersten, bleibt uns zunächst der Rückzug – und am Ende der Kontaktabbruch.
Johanna, die Protagonistin, die uns in „Die Wahrheiten meiner Mutter“ an ihren Gedanken teilnehmen lässt, hat vor dreißig Jahren den Kontakt zu ihrer Familie abgebrochen. Johanna ist gefangen in den Plänen, die ihre Eltern für sie haben. Als sie beschließt, aus ihrer frühen Ehe auszubrechen, ihrer großen Liebe nach Amerika zu folgen und sich dort nicht als Juristin, sondern als Künstlerin zu verwirklichen, entsteht ein Riss mit ihrer Familie.
Dieser Riss wird mit der Zeit größer, es entwickelt sich ein unüberwindbarer Krater. Johannas zunächst vorsichtigen Versuche, Kontakt mit ihrer Mutter aufzunehmen, werden von dieser konsequent unterbunden. Johanna fängt an, ihre Mutter heimlich zu beobachten, versucht ihr nahe zu sein. Kurz gesagt: Johanna fängt an, ihre Mutter zu stalken. Die New York Times betitelte die eigene Buchbesprechung passend mit „Digging Through Her Mother’s Trash, Looking for Love” – “durch den Müll ihrer Mutter wühlend, auf der Suche nach Liebe“.
Genau das macht diesen Roman von der vielfachen norwegischen Bestsellerautorin Vigdis Hjorth so besonders: Die Mischung aus einer durchaus sympathischen Protagonistin, deren Bedürfnisse absolut nachvollziehbar sind, sodass sie durchaus als „Grundbedürfnisse“ bezeichnet werden dürfen und deren Verletzungen. Letztere entstehen auch aus dem Erwartungsdruck der Eltern, uns wir kennen sie alle mehr oder weniger aus unseren eigenen familiären Beziehungen („lern doch erstmal etwas Richtiges“, „ich freu mich schon, Oma/Opa zu werden“, „Du musst aber unbedingt auch deine Cousine dritten Grades zu Deiner Hochzeit einladen“ etc. pp.) Johanna ist mir beim Lesen des Romans durchaus ans Herz gewächsen. Gleichzeitig sind mir die aus ihren Verletzungen und Verzweiflung entstehenden Handlungen zuwider, die Hoffnung auf ein glückliches Wiedersehen bleiben dennoch.
Der fast durchgehende Monolog der Protagonistin ist gut zu lesen, mir gefällt besonders der Spiel mit den sichtbaren Pausen. Durch wenige Zeilen auf einer Seite wird das Buch zwar auf 400 Seiten "aufgeblasen", ein kurzer Absatz auf einer einzelnen Seite wirkt dafür umso intensiver.
Ich freue mich darauf, weitere Romane von Vigdis Hjort zu lesen. Immerhin zehn Romane sind bereits ins Deutsche übersetzt.
Johanna, die Protagonistin, die uns in „Die Wahrheiten meiner Mutter“ an ihren Gedanken teilnehmen lässt, hat vor dreißig Jahren den Kontakt zu ihrer Familie abgebrochen. Johanna ist gefangen in den Plänen, die ihre Eltern für sie haben. Als sie beschließt, aus ihrer frühen Ehe auszubrechen, ihrer großen Liebe nach Amerika zu folgen und sich dort nicht als Juristin, sondern als Künstlerin zu verwirklichen, entsteht ein Riss mit ihrer Familie.
Dieser Riss wird mit der Zeit größer, es entwickelt sich ein unüberwindbarer Krater. Johannas zunächst vorsichtigen Versuche, Kontakt mit ihrer Mutter aufzunehmen, werden von dieser konsequent unterbunden. Johanna fängt an, ihre Mutter heimlich zu beobachten, versucht ihr nahe zu sein. Kurz gesagt: Johanna fängt an, ihre Mutter zu stalken. Die New York Times betitelte die eigene Buchbesprechung passend mit „Digging Through Her Mother’s Trash, Looking for Love” – “durch den Müll ihrer Mutter wühlend, auf der Suche nach Liebe“.
Genau das macht diesen Roman von der vielfachen norwegischen Bestsellerautorin Vigdis Hjorth so besonders: Die Mischung aus einer durchaus sympathischen Protagonistin, deren Bedürfnisse absolut nachvollziehbar sind, sodass sie durchaus als „Grundbedürfnisse“ bezeichnet werden dürfen und deren Verletzungen. Letztere entstehen auch aus dem Erwartungsdruck der Eltern, uns wir kennen sie alle mehr oder weniger aus unseren eigenen familiären Beziehungen („lern doch erstmal etwas Richtiges“, „ich freu mich schon, Oma/Opa zu werden“, „Du musst aber unbedingt auch deine Cousine dritten Grades zu Deiner Hochzeit einladen“ etc. pp.) Johanna ist mir beim Lesen des Romans durchaus ans Herz gewächsen. Gleichzeitig sind mir die aus ihren Verletzungen und Verzweiflung entstehenden Handlungen zuwider, die Hoffnung auf ein glückliches Wiedersehen bleiben dennoch.
Der fast durchgehende Monolog der Protagonistin ist gut zu lesen, mir gefällt besonders der Spiel mit den sichtbaren Pausen. Durch wenige Zeilen auf einer Seite wird das Buch zwar auf 400 Seiten "aufgeblasen", ein kurzer Absatz auf einer einzelnen Seite wirkt dafür umso intensiver.
Ich freue mich darauf, weitere Romane von Vigdis Hjort zu lesen. Immerhin zehn Romane sind bereits ins Deutsche übersetzt.