Schwierige Familienverhältnisse

In Milena Agus´ neuem Roman berichtet eine zunächst noch namenlose Literaturstudentin als Ich-Erzählerin aus ihrem Leben. Sie wohnt im mittleren Stock eines alten Patrizierhauses im multikulturellen, ärmlichen Hafenviertel von Cagliari auf Sardinien. Unter ihr wohnt Anna, die sich mit mehreren Putzstellen ihren Lebensunterhalt verdient, mit ihrer Tochter Natascha in einer ehemaligen Bedienstetenwohnung, die dem Ehepaar Johnson gehört. Der Geiger Johnson bewohnt die gesamte obere Etage. Da er von seiner Frau, einer reichen Sardin, verlassen worden ist, benötigt er eine Haushälterin. Die Studentin vermittelt ihm ihre Freundin Anna.

In mehreren Rückblenden berichtet die Erzählerin von ihren schwierigen Familienverhältnissen. Sie war noch ein Kind, als der Vater Selbstmord beging und die Mutter verrückt wurde. Zum Vormund sind Onkel und Tante bestellt, aber ihnen ist das Kind wegen der Vorgeschichte nur peinlich. Über die Eltern darf nicht mehr gesprochen werden, und beide Großelternpaare haben den Kontakt zur Mutter abgebrochen. Im Dorf und in der Schule wird das Kind gemieden, als wäre sein Schicksal ansteckend. Nur in Cagliari, wo das Mädchen mit den Verwandten die Sommer in der von der Großmutter mütterlicherseits gekauften Wohnung verbringt, kann sie aufatmen und glücklich sein. Sie liebt es, die Menschen zu beobachten, ohne sich jedoch in ihre Angelegenheiten einzumischen. Sie hofft, dass das Sammeln von Fakten ihr zu einem besseren Verständnis der Welt verhilft.

Die Leseprobe ist sehr schön und vermittelt mit den den zahlreichen Einschüben in sardischer Sprache ein typisches Ambiente. Die Autorin erzählt - wie in ihren anderen Romanen auch - von Familienkonflikten und sich anbahnenden Liebesbeziehungen, von den Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens und dem Leben auf Sardinien. Ich kenne und schätze ihre anderen Romane - vor allem Die Frau im Mond - und bin sehr gespannt auf den neuen Roman einer sensiblen Autorin.