Nachschub für die Fans von " 50 Shades of Grey" bzw "Feuchtgebiete"

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suja Avatar

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Die Welt war so groß - aber Rona Jaffes Fantasie leider viel zu klein...

Angesiedelt in den Vereinigten Staaten erzählt Rona Jaffe die Lebensgeschichten von 4 Frauen, die einander auf dem College kennenlernen.

Das Buch ist in drei Teile aufgeteilt und umfasst den Zeitraum von 1957 bis zum zwanzigjährigen Klassentreffen 1977.

Man muß gar nichtmal so sehr geschichtsinteressiert sein, um zu wissen, daß diese Jahre für die USA eine sehr spannende Zeit waren.
Da gab es die Kuba-Krise, die McCarthy-Ära war gerade unmittelbar davor zuende gegangen (wirkte aber noch lange nach) , es gab den Vietnam-Krieg, Martin Luther King und seinen Marsch auf Washington und nicht zuletzt die Mondlandung.
Viel, viel, viel also, was die Amerikaner bewegt und auch geprägt hat - aber merkt man das den 4 Hauptpersonen und ihren Lebenswegen auch an ?
Nein !
Lediglich die Ermordung John F. Kennedys wird einmal über 2 oder 3 Seiten hinweg thematisiert, aber bezeichnenderweise auch nur bei den beiden Hauptpersonen, die zum Zeitpunkt der Tat gar nicht in den Vereinigten Staaten leben.

Wie also gestaltet die Autorin das Leben von Annabel, Chris, Daphne und Emily ?
Nun, das ist recht leicht zu beantworten :
Sie haben Sex.
Oder sie trinken.
Manchmal auch beides gleichzeitig.

Im ersten Teil des Buches lieben und trinken die Damen im College.
Im zweiten Teil des Buches lieben und trinken die Damen an der Ost- und der Westküste der USA und zeitweise in Europa ( interessanterweise weitestgehend mit denselben Männern wie im ersten Teil, das zumindest finde ich beeindruckend und interessant.)
Im dritten Teiles Buches lieben und trinken ...... siehe oben.

Garniert werden diese Gelage hin und wieder mit Thesen, die uns heute sehr eigenartig anmuten, etwa rund um die Themen Homosexualität oder Epilepsie.
Hier ist immerhin ein guter Ansatzpunkt für den Leser, sich über diese Dinge selber Gedanken zu machen, in sich reinzuhorchen und sich weiterführend damit zu beschäftigen.

Aber ansonsten ist es leider ein Buch der verpassten Möglichkeiten und das ist wirklich, wirklich schade.
Denn Rona Jaffe hat eine ganz wunderschöne Art zu schreiben, die ersten Seiten des Buches verzaubern mit der Dichte ihrer Bilder, mit der Fülle der Details, die den Leser unumgänglich hineinziehen in die Geschichte, bis er selber mitten im Gewusel des großes Treffens in Radcliff zu stehen glaubt und von der gleichen Aufregung und Nervosität wie die Protagonistinnen ergriffen wird.
Man kann dieses Buch von der ersten Zeile an lieben - bis man dann irgendwann ratlos auf den Text starrt und sich fragt, was um alles in der Welt die Autorin denn nun damit eigentlich sagen möchte.
Was ist die Botschaft dieses Buches ?
Daß sich das Leben der Amerikanerinnen einzig und allein um Sex und Alkohol dreht, völlig unbeeindruckt davon, was sonst gerade so um sie herum passiert ??
Und was ist die Mission des Ullstein-Verlages, gerade dieses Buch neu aufzulegen ?
Nun...... wollen wir hoffen, daß es ihnen darum ging, eine durchaus verdienstvolle Autorin und ihr Werk wieder ins Bewußtsein der Öffentlichkeit zu rücken ( und nicht etwa, noch ganz schnell auf der Erfolgswelle der erotischen Literatur gewinnbringend mitzuschwimmen. ;-) ) .

Drei Sterne von mir für die lebhafte, wunderbar detailreiche Sprache .