Ein Pullover und Lebenserfahrung

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Die Autorin Blanca Busquets, Jahrgang 1961 arbeitet neben dem Schreiben als Radio- und Fernsehjournalistin. Dieses Buch ist ihr zweiter Roman, zuvor hat sie Kurzgeschichten veröffentlicht. Schreiben ist ihre Leidenschaft seit ihrem zwölften Lebensjahr und mehrere ihrer Werke sind preisgekrönt.

In diesem Roman lernen wir die 85 jährige Maria Dolors kennen, die seit einem Schlaganfall bei ihrer jüngsten Tochter Leonor wohnt. Leonor, sowie ihr Mann Jofre und deren Tochter Sandra scheinen anzunehmen, dass Maria Dolors bei ihrem Schlaganfall nicht nur ihre Sprache sondern auch das Gehör verloren hat. Sie brüllen ihr ins Ohr oder schreien sehr laut. Dabei bekommt Maria Dolors alles mit, was um sie herum geschieht. Könnte sie reden, dann käme manches Familiengeheimnis ans Licht. Nur ihr Enkel Marti macht sich darüber Gedanken, dass es für Maria Dolors noch etwas anderes geben muss, als das Bett und der Sessel in der Ecke in dem sie den ganzen Tag sitzt. Er versucht, ihr den Umgang mit einem Computer beizubringen. Wenn sie schon nicht reden kann, so soll sich seine Oma eines Tages über den Computer verständlich machen können bzw. sie könnte dann noch ihre Gedanken schreiben, so die Vorstellung von Marti. Maria Dolors freut sich darüber und sie lebt richtig auf. Der Unterricht kann aber nur heimlich geschehen, da Leonor nicht begeistert von der Idee ist. Alle außer Marti sind der Meinung, dass Maria Dolors nicht viel mitbekommt. Und sie wird dementsprechend behandelt.

Der Leser lernt die geheimsten Gedanken von Maria Dolors kennen. Sie sieht, dass Leonor, ihre beinahe fünfzigjährige Tochter, unglücklich ist. Irgendwas stimmt nicht mit ihr. Eigentlich hat Maria Dolors das Unglück schon kommen sehen, als Leonor unbedingt Jofre heiraten wollte. Sie hat gesehen, dass Jofre Leonor nicht so liebte wie Leonor ihn und auch Sandra fühlt anders für ihren Freund Jaume, als dieser für sie. Maria Dolors denkt an ihre eigene Ehe zurück und warum sie sich für ihren Mann Eduard entschieden hat und stellt fest, dass sie genauso blind gewesen ist. Zu ihrer ältesten Tochter hat Maria Dolors kaum noch Kontakt, sie wurde von ihrem Mann Eduard vor die Türe gesetzt, als sie den Eltern öffentlich erklärt hat, sie sei lesbisch.

Nun möchte Maria Dolors ihrer Enkelin Sandra einen wunderschönen Pullover stricken. Und es gibt nun einige Geheimnisse zu klären. Ist Sandra wirklich magersüchtig ? Was ist mit Leonor los und hat Jofre wirklich eine Geliebte ? Besonders aber bin ich gespannt darauf, weitere Einzelheiten aus dem Leben von Maria Dolors zu erfahren.

Das Buch finde ich ganz toll ! Es steckt eine Menge Lebenserfahrung darin. Als nicht mehr so junge Mutter von vier Kindern erkenne ich einiges aus einem Frauenleben in diesem Roman wieder. Die Autorin ist selbst beinahe 50 Jahre alt und hat gewiss Erfahrungen aus ihrem Leben und aus ihrer Arbeit, bei der sie ja mit vielen Menschen zu tun hat, in diesem Roman verarbeitet. Das Buch lässt sich wunderbar lesen und ich bin traurig, dass die Leseprobe schon zu Ende ist.

In diesem Roman gibt es so viel zu entdecken,aber ich will mich nur auf wenige Punkte beschränken. Man sieht die Veränderungen der Zeit, wenn Maria Dolors über ihren Unterricht in der Nonnenschule schreibt. Bei ihrer Tochter war es schon anders und erst recht jetzt bei ihrer Enkelin Sandra. Viele Werte haben sich gewandelt, manche zum Vorteil, manche aber auch nicht. Dann gibt es noch Überlegungen dazu zu entdecken, wie es dazu kommt, dass Frauen bestimmte Männer heiraten und was die Ehe aus beiden macht. Hätten die Frauen es besser anders gemacht ? Und dann das wirklich wichtige Thema, wie ich finde, der alte Mensch. In unserer Gesellschaft heute hat der alte Mensch es oft schwer. Nicht mehr für voll genommen, nicht mehr beachtet zu werden, in die Ecke abgeschoben zu werden, Einsamkeit und anderes das ist das Los der alten Menschen. Maria Dolors ist ja noch in der Familie aufgenommen worden, doch ansonsten wird sie bis auf Marti nicht für voll genommen. Darunter leidet sie . Wir selbst müssen uns eventuell auch Gedanken machen, wie wir mit alten Menschen in unserer Umgebung umgehen ?

Dieses Buch muss ich unbedingt lesen und es wäre ganz toll, wenn ich ein Exemplar gewinnen würde.