leider hält sich die Begeisterung in Grenzen

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„die wunder“ - ein vermeintlich feministischer Bildungsroman über zwei Frauen, die in Madrid leben, miteinander verwandt sind, sich aber noch nie gesehen haben. María und Alicia. Großmutter und Enkelin. Ihre Geschichte, ihr Leben, ihr Schicksal: bestimmt von fehlenden wirtschaftlichen Ressourcen, vorherrschenden patriarchalischen Strukturen, sozialen Klassenunterschieden, fehlenden Zukunftsperspektiven.
María begeht als junges Mädchen eine unverzeihliche „Schande“ - sie wird schwanger - und von ihrer andalusischen Familie nach Madrid verbannt. Dort kämpft sie als Dienstmädchen und Reinigungskraft ums Überleben. In den 80ern schließt sie sich politisch aktiven Kreisen an, setzt sich für Frauen- und Arbeitnehmer*innenrechte ein. Ihre Tochter Carmen wird von Onkel und Großmutter erzogen. Mutter und Tochter haben kaum Kontakt, entfremden sich immer mehr, schließlich verlieren sie sich völlig aus den Augen.
Auf der anderen Seite: die unsympathische und boshafte Alicia, Carmens Tochter. Einst äußerst wohlhabend, wird sie mit Armut konfrontiert, nachdem ihr Vater den Freitod wählte und der Familie Schulden hinterlassen hat.

Obwohl ich den Debütroman von Elena Medel thematisch äußerst spannend und wichtig finde, bleibe ich eher enttäuscht zurück. Ich habe weder einen richtigen Zugang zu der Handlung noch den Figuren finden können. Dies mag vor allem am eigenwilligen Erzählstil liegen: zeitlich unlinear, fragmentarisch, partiell einem Stream of Consciousness folgend, vielstimmig, verwirrend, inkohärent, ohne roten Faden, zahlreiche Nebenfiguren ohne erkennbar relevante Funktion. Eher ein Sample an Kurzstories als ein in sich schlüssiger Roman. Enttäuscht bin ich aber auch deshalb, weil ich hier in der Figurenzeichnung kaum eine emanzipatorische Entwicklung erkennen kann - hier hält der Klappentext aus meiner Sicht nicht, was er verspricht. Vielleicht braucht es mehr Vorwissen, mehr historische Hintergrundinformationen, mehr persönlichen Bezug zum spanischen Setting und der Geschichte der dortigen Frauenbewegung, um diesen Roman wertschätzen zu können. Das habe ich alles nicht und somit hält sich meine Begeisterung leider sehr in Grenzen. Übersetzt von Susanne Lange.