Ein mittelmäßiges Goldstück!

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straßenprinzessin Avatar

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“Gestern Nacht“, meinte sie, “als ich schon im Bett lag, habe ich darüber nachgedacht. Du hast recht.“ Sie deutete auf die weiten, mondbeschienenen Wälder. “Es gehört uns beiden. Es ist mein Wald, aber es sind auch deine Bäume.“ (Seite 185)

Die wundersame Geschichte von Harry und Oriana hat mich oft überrascht, berührt und mich manchmal auch aufseufzen lassen, positiv wie negativ.
Gelegentlich war mir die Geschichte zu Klischee belastet, so dass man schon nach wenigen Seiten das Gefühl hatte, so ziemlich genau zu wissen in welche Richtung es weitergehen wird, was einem wiederum dann auch nach weiteren 50 Seiten bestätigt wurde.
Harry hat seine Frau verloren.
Amanda, die Mutter von Oriana, hat ihren Mann verloren.
Was wird wohl passieren?
Irgendwie hatte ich etwas ganz anderes erwartet. Ich dachte, dass Harry und Oriana die Hauptcharaktere sind und das vor allem ihr Verlust und ihre Trauerverarbeitung im Fokus stehen werden. Doch auch wenn das Thema im großen und ganzen nach wie vor ganz stimmig ist, so ist Oriana, meine Meinung nach, leider viel zu sehr im Hintergrund. Überraschender und erstaunlicher weise ist Amanda, ihre Mutter die ich trotz allem sehr mag, von mir völlig unvorhergesehen im Vordergrund. Es macht die Geschichte keinesfalls schlechter, aber gerade auf den ersten 300 Seiten um einiges zäher und unspektakulärer. Ich habe es ein bisschen aufregender und fantastischer zwischen bzw. mit Harry und Oriana erwartet.
Der Anfang beginnt, trotz der schlimmen Schicksalsschläge, mit ganz leisten Tönen, die unglaublich intensiv sind. Harry verliert seine Frau und schon auf diesen wenigen Seiten erfährt man ganz eindringlich von der Liebe zwischen den beiden, woraufhin man all die Trauer und Verzweiflung vollkommen nachvollziehen kann und in so vielen Momenten mitfühlt. Auch der Verlust von Amanda und Oriana ist herzzerreißend und hat zusammen mit dem Schicksal von Harry für einen sehr Gefühl- und Melancholischen Anfang gesorgt. Leider ging es, meiner Meinung nach, im Mittelteil nicht so weiter. Kurzzeitig konnte mich das Buch nicht mehr so packen und mitreißen.
Geändert hat sich für mich das erst nach knapp 300 Seiten wieder. Zum Teil lag es an der Personenbeschreibung. Harry, der Ende 30 ist, war für mich immer ein “alter Mann“. Sein Alter wurde zwar schon recht früh genannt, doch die Trauer, die intensive Liebe zu Beth und auch sonst sein ganzes Wesen hat schon so reif und erfahren gewirkt, so dass ich einfach nicht mehr umdenken konnte, was mich oft ziemlich genervt und manchmal irritiert hat, wo ich es ja eigentlich besser wusste. Auch sonst konnte Harry mich leider nicht so richtig überzeugen. Am Anfang war ich so begeistert von ihm, aber im weiteren Verlauf kam trotz seiner Entwicklung einfach nicht mehr viel Persönlichkeit dazu. Ebenso erging es mir mit Oriana. Beide finde ich sehr authentisch aber der Funke ist einfach nicht übergesprungen. Ich selbst finde das unglaublich Schade, weil sie manchmal auch so liebenswert waren. Wirklich froh bin ich über die Nebencharaktere!
Amanda und die Bibliothekarin Olive sowie Ronnie habe ich richtig ins Herz geschlossen, hier gab es ganz viele Funken! Für mich sind die 3 die heimlichen Stars der Geschichte!
Sie sind alle 3 so unterschiedlich und dennoch konnte ich mich in jeden von ihnen rein fühlen. Ich habe mich auf jedes Kapitel mit ihnen gefreut und fand ihre Ansichten einfach am interessantesten zu verfolgen.
Amanda ist trotz des Verlustes ihres Mannes eine so starke und tapfere Persönlichkeit. Sie ist eine Kämpferin die für ihre Tochter ohne mit der Wimper zu zucken auch zur Löwenmama mutiert, die sich nicht einmal von ihrer eigenen Trauer aufhalten lässt.
Olive, die Bibliothekarin, ist so Weise! Ich würde auch jedes von ihr empfohlene Buch verschlingen und wäre Dauergast in ihrer baufälligen Bibliothek.
Und Ronnie. Ach, der liebe Ronnie! Oft tat er mir ja einfach nur leid. Er ist so ein toller Charakter, der leider viel zu oft unterschätzt wird. Er ist das Chaos auf 2 Beinen und zu Anfang habe auch ich ihn unterschätzt. Doch Ronnie ist eigentlich so stark und liebevoll. Er kennt selbst seine Schwächen und genau das ist seine Stärke. Er ist so Rücksichtsvoll, auch wenn er es manchmal etwas (von ihm unbemerkt) übertreibt, und ich bin im Nachhinein so begeistert von ihm.
Auch wenn ich mich wiederhole, ich bin so FROH, dass die Nebencharaktere so viel Aufmerksamkeit bekommen haben. Meiner Meinung nach haben sie die Geschichte um einiges besser gemacht. Selbst die anti Charaktere, Stue und Wolf, waren gut gewählte Personen und haben gerade zum Ende hin für einige spannende Momente gesorgt, die mich dann doch richtig gefesselt haben. Alles in allem konnten mich die meisten Charaktere überzeugen, teilweise sogar überraschen und nur gelegentlich war ich ein bisschen enttäuscht.
Die Märchenelemente hätten, meiner Meinung nach, ruhig ein wenig intensiver sein können. Titel von Märchen, ein roter Mantel, ein Bruder namens Wolf machen noch lange keine Fantasy(ie) Geschichte aus. Ich habe mir mehr (durchaus realistische) magische Momente erwartet und fand auch hier den Mittelteil etwas zäh.
Positiv überrascht und auch begeistert war ich von Grum. Besonders dass ich als Leserin selbst die Geschichte lesen konnte und durch die wirklich schöne Illustration eine gute Vorstellung vom unglücklichen Troll hatte. Definitiv ein kleines Pluspünktchen!
Dennoch konnte mich vor allem der Anfang und das Ende fesseln, die 300 Seiten (von 536 S.) dazwischen hätten von mir aus auch ein wenig gekürzt werden können.
Trotz allem bin ich meistens durch die Seiten geflogen. Der Schreibstil ist sehr Detailreich und vermittelt einen guten Eindruck von der Umgebung. Bei den Personen sind die ersten Eindrücke oft unverändert geblieben, mit häufigen Wiederholungen.
Selten gab es mal besondere Neuheiten, so ist:
+ Amanda die sexy Göttin der ganzen Gemeinde, die nicht nur kurvig mit einem tollen Busen ist, sondern auch alle einschüchtern kann.
+ Harry, der verschrobene Bürohengst, der sich zu Tarzan entwickelt.
und/oder/sowie
+ Olive, die klapprige alte Bibliothekarin mit der Lust zu Fabulieren und der Pufferei mit ihrer Mark Twain Pfeife.
Nichts desto trotz lassen sich kleine Textperlen finden und schöne Erkenntnisse.
Einen super fetten Pluspunkt gibt es für das wundervoller Cover! Es sieht nicht nur absolut hinreißend aus, nein, es fühlt sich durch seine gritzlige Oberfläche, die sich fast samtig anfühlt, auch super an.
Schlussendlich ist DwMdHC ein nettes Buch zum Zeitvertreib, welches mit altbekannten Klischees spielt und immer mal wieder kleine Märchenelemente einstreut.
In Erinnerung behalte ich allerdings immer als erstes das Cover, statt der Geschichte!