Ein modernes Märchen

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jewi Avatar

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Bei einer Wanderung auf den Azoren sind wir immer wieder vor Bäumen stehen geblieben, die wir uns staunend angesehen haben. Einige Tage zuvor hatte ich „Die wundersame Mission des Harry Crane“ von Jon Cohen zu Ende gelesen und musste an Harrys Liebe für Bäume denken, die ich in diesem Moment nur nachvollziehen konnte.

Harry ist Ende 30 und glücklich verheiratet mit Beth. Allerdings wünscht er sich nichts sehnlicher, als seinem langweiligen Job bei der Forstbehörde kündigen zu können, um seinem großen Traum von „Harry’s Trees“ (so auch der Originaltitel des Buches, mit der eine Art Baumschule gemeint ist) erfüllen zu können. Durch einen schrecklichen Unfall stirbt Beth, und da Harry sich die Schuld dafür gibt, zieht er sich in die Wälder Pennsylvanias zurück.
Dort lernt er Amanda und ihre 10-jährige Tochter Oriana kennen, die selbst mit einem Verlust umgehen müssen. Während Amanda versucht, nach dem Tod ihres Mannes Dean die Familie über Wasser zu halten, verliert sich Oriana in einer Märchen- und Phantasiewelt, in der Sie mit ihrem Vater kommunizieren und diesen vielleicht auch retten kann.

Es handelt sich hierbei um kein trauriges Buch, sondern vielmehr um ein modernes Märchen. Die Figuren – allen voran Harry und Oriana – waren mir sehr sympathisch, allerdings teilweise etwas schwarz / weiß gezeichnet. Das hat mich aber bei dieser Art von Geschichte nicht gestört, da ich mich trotzdem gut unterhalten gefühlt habe. Das lag zum einen an der schönen Sprache, aber auch an den liebenswerten Protagonisten. Zudem ist immer wieder vom Schicksal die Rede und die vielen Zufälle, die im Buch eine Rolle spielen, haben mir gut gefallen. Zum einen, weil ich vielleicht daran glauben möchte, dass es sowas wie „Schicksal“ gibt, zum anderen, weil es dem Roman eine sehr phantastische Note gegeben hat.

„Wenn die Eichentüren sich leise ächzend öffneten und jemand die Bibliothek betrat (meistens Fred, der Briefträger, oder jemand, der nur mal schnell auf die Toilette wollte), brach das Tageslicht so hell in die dämmerige Stille der Pratt Library, dass man unwillkürlich aufschrak. Wenn aber Oriana Jeffers durch die Türen kam, verwandelte das Licht sich in Mondschein und Sternenglanz, und in den Regalen begannen die Bücher leise zu tuscheln und aufgeregt mit den Seiten zu flattern. Welch Freude, raunten sie einander zu, eine Leserin!“ (S. 114)

Besonders gefallen haben mir auch die im Buch abgebildeten Zeichnungen (Beispielsweise die von der Märchengestalt „Grum“ oder eine Zeichnung, die auf einem Baum verewigt wurde). Das macht das Leseerlebnis nochmal um einiges lebendiger.

***Fazit***

Insgesamt ist „Die wunderbare Mission des Harry Crane“ ein Feel-Good-Märchen, welches Spaß gemacht hat zu lesen und mir trotz des erwarteten Ausgangs ein paar Tränen abgerungen hat (was zugegebenermaßen nicht viele Bücher schaffen).

Wer für ein gemütliches Herbstwochenende einen schönen Schmöker sucht, der kann mit diesem Roman von Jon Cohen nichts falsch machen.