Liebenswert und magisch, aber leider zu lang und etwas zu kitschig...

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
naibenak Avatar

Von

Harry Crane, ein bäumeliebender Forstbeamter, der sein Dasein hinterm Schreibtisch fristen muss, und das Mädchen Oriana haben einiges gemeinsam: sie lieben den Wald und sie haben zur selben Zeit einen geliebten Menschen verloren. Eines Tages begegnen sie sich durch Zufall – oder doch eher märchenhafte Fügung – im Wald, nahe Orianas Zuhause. Von da an beginnt für beide ein wundersames Abenteuer, welches ihnen helfen soll, ihre Trauer zu verarbeiten…

„Ein Roman, zartbitter, witzig und rührend schön, über Trauer und Verlust, über die Macht von Geschichten und die heilende Kraft von Bäumen – ein Roman, der sprüht vor Fantasie, Fabulierlust und ungebrochener Lebensfreude.“ (Zitat: Klappentext)

… ja, all das findet man tatsächlich in diesem Roman. Als besonders schön habe ich bspw die Szenen im Wald und in der einsturzgefährdeten Bibliothek empfunden. An diesen Orten versteht es Jon Cohen eine zum Greifen nahe, magische Atmosphäre zu zaubern, die mich sehr berührt, gefesselt und in diese Szenerie hineingezogen hat, so als wäre ich mittendrin. Aber auch immer dann, wenn es um die Trauerbewältigung geht, versteht es der Autor, liebevoll und behutsam mit diesem Thema umzugehen und einen Hauch von Magie hineinzubringen. Die unterschiedlichen Herangehensweisen an den Umgang mit dem Verlust eines geliebten Menschen –aus der Sicht eines kleinen Mädchens, das an die Wunder von Märchen glaubt, aus der Sicht einer taffen, nahezu überforderten Witwe und der eines zu Tode betrübten Witwers – haben sich schön ineinandergefügt, ergänzt und mich wirklich berühren können. Und dann gibt es noch so wunderbare Nebenfiguren wie die alte Bibliothekarin Olive, die man gern mal beim Pfeiferauchen beobachten kann oder den tollpatschig-liebenswerten und tüchtigen Ronny… auch diese beiden müssen einen Verlust verarbeiten und versuchen einen Weg zu finden mit ihm zu leben.

Immer, wenn diese Themen im Fokus gewesen sind, habe ich das Buch sehr, sehr gern gelesen. Leider aber muss es in Märchen auch immer die Bösewichte geben ;) Und was diese in dem märchenhaften Roman betrifft, hat mich zumindest einer (der Immobilienmakler) sehr genervt und auch gelangweilt. Harrys Bruder Wolf hingegen hat für mich als „Bösewicht“ ein deutlich besseres Bild abgegeben, allein schon, weil man über ihn viel mehr erfahren hat und auch ein bisschen nachvollziehen kann, was ihn an- und umtreibt.

Alles in allem hätte der Roman mindestens 100 Seiten weniger vertragen können. Gerade im zweiten Teil neigt Cohen sehr zu Ausschweifungen, die meiner Meinung nach überflüssig sind und mir das Weiterlesen sehr erschwert haben.

Fazit: Ein märchenhafter Roman mit vielen liebenswerten Charakteren, wunderschön atmosphärischen und auch sehr berührenden Szenen. Aber auch ein Roman, der ausschweift, sehr am Kitsch streift und mich streckenweise leider gelangweilt hat. Schade, hier wäre für mich weniger etwas mehr gewesen.