Susquehanna Santa

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Die wundersame Mission des Harry Crane, Roman von Jon Cohen, 536 Seiten, erschienen Im Insel Verlag.
Seit Harry auf Bäume klettern kann, weiß er, wie man gut durchs Leben kommt. Man muss sich nur gut festhalten. Ein kleines Mädchen zeigt ihm wie man loslässt.
Für Harry Crane gibt es zwei wichtige Dinge in seinem Leben, seine Frau Beth und Bäume. Als Beth überraschend stirbt, gibt er sich die Schuld an ihrem Tod, er beschließt in den Wäldern Pennsylvanias seinem Leben ein Ende zu setzen. Daran hindert ihm ein kleines Mädchen und ihre Mutter beide haben den Ehemann bzw. den Vater verloren. Oriana ist davon überzeugt, dass er nicht tot sondern nur verwandelt ist. Harry soll diesen Zauber brechen.
Am Anfang des Buches gibt es zwei Erzählstränge, die sich schon bald zu einer Geschichte vereinen. Als Stilmittel hat Jon Cohen die auktoriale Erzählform gewählt. Dadurch entsteht ein umfassender Überblick über die Handlungen der einzelnen Charaktere. Lustige aber auch ernste Dialoge beleben die Erzählung, dies ist dem Autor auch durch seinen flüssigen und vor allem bildhaften Erzählstil gut gelungen. Solche Sätze z.B. Ihre Frisur, eine pikante Mischung aus Schaf und Stachelschwein, war das blanke Grauen. So hatte ich Setting und Personen stets vor Augen. Sehr gut gelungen fand ich die Platzierung des „Buches im Buch“. Die lustige Illustration und der in Schreibschrift geschriebene Text macht „Das Buch des alten Grum“ zu einem Eyecatcher im Text. 37 Kapitel in genau passender Länge und mit Kapitelzahlen überschrieben, helfen das Buch flüssig zu lesen. Erzählungen und Vorgelesenes erscheinen kursiv.
Der Beginn des Buches hat mich sofort begeistert, die Trauer des Protagonisten und des Mädchens und ihrer Mutter haben mich sehr berührt. Es zeigt wie die Figuren auf verschiedenste Weise mit ihrer Trauer umgehen. Verdrängung, Flucht in die Märchenwelt und Schuldgefühle. Doch im weiteren Verlauf hatte das Buch doch unnötige Längen, die weniger unterhaltsam waren. Es wäre für eine gute Geschichte m.E. nicht notwendig gewesen, die Besteigung jedes einzelnen Baumes zu erläutern, die Baumthematik fand ich sowieso viel zu ausführlich und für den Plot nicht notwendig. Auch konnte ich das Verhalten, von Harry und Oriana nicht unbedingt nachvollziehen. Das Mädchen fand ich altklug und dickköpfig, und dass sich der Protagonist dem Diktat des Kindes so unterworfen hat, fand ich nicht realistisch. Bestechend in diesem Werk sind die Nebencharaktere. Zuallererst der heimliche „Held“ der Geschichte. Ronnie, der sich die Schuld an Deans Tod gibt, ein Tolpatsch und Trinker und doch eine Superfigur. Und auch die resolute Stadtbibliothekarin Miss Perkins, ein liebenswertes Faktotum in der Bücherei, eine Frau die nach jeder Enttäuschung aufsteht und weitermacht. Die Bösewichte Stu und Wolf waren gut gezeichnet. Alles in allem ist es m. M. nach ein Märchen für Erwachsene, dazu passt der böse Bruder von Harry „der böse Wolf“, der rote Mantel von Beth, oder der Sack mit Goldmünzen. Obwohl die Geschichte traurig beginnt mangelte es nicht an Situationskomik, als der Hund die Asche der Verblichenen wie Konfetti verteilte, musste ich unfreiwillig lachen. Ein Lieblingszitat habe ich auf Seite 118 entdeckt: "Die passende Lektüre hat noch jeden Schmerz gelindert". Das kann ich nur bestätigen.
Dieses Buch eignet sich für Leser, die sich gerne märchenhaft verzaubern lassen wollen. Eine Leseempfehlung auch für Fans von „Happy Ends“. Von mir 3 Sterne.