Poetisches Zeitzeugnis

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Schauspielerin, Darstellerin und Sängerin Ute Lemper ist ein Weltstar. Eine der wenigen Deutschen, die es nicht nur außerhalb Deutschlands zu Ruhm gebracht hat, sondern dort auch mehr geliebt wird als in ihrem Herkunftsland. Nun hat sie ihre zweite Biografie geschrieben, die gleich drei Bücher enthält. Zunächst Auszüge der erste Biographie, die sie mit Anfang Dreißig geschrieben hat und die sie kommentiert und einordnet. Chronologisch geht es dann weiter. Zum Schluss kommt noch ihre Tochter Stella zu Wort und schenkt der Leserschaft eine ganz eigene Perspektive.
„Die Zeitreisende“ ist keine 0815-Biographie, sie ist Zeitzeugnis, bewegtes Leben und Einblick in das Showbusiness. Ute Lempers Sprache ist durchzogen von Kunst, von Melodie und Klang. Sie kann mit Worten umgehen und ist wahnsinnig einfühlsam. Sie scheut nicht davor zurück schwierige Dinge anzusprechen und den Finger noch auf die Wunde zu halten, ob es nun um Politik, Geschichte oder Privates geht.
Sie ist eine beeindruckende Frau, die in Deutschland nicht geschätzt wurde, aber zum Glück im Ausland und allen Widrigkeiten zum Trotz, eine Karriere aufgebaut hat, die ihres Gleichen sucht. Ihre Bühne ist international und wie viele Deutsche können das von sich behaupten. Aber sie ist nicht nur Künstlerin, sondern auch Mutter und versucht, oft mit (meiner Meinung nach unbegründeten) Schuldgefühlen behaftet, alles unter einen Hut zu bringen.
Sehr bewegt haben mich die Kapitel in denen sie die deutsche Geschichte aufarbeitet, über die nur allzu gern geschwiegen wird. Sie hat viele Berührungspunkte mit dem Judentum und positioniert sich klar, auch wenn sie (für mich unverständlicherweise) im besten Fall auf Schweigen trifft.
Manchmal hätte ich mir noch etwas mehr persönliches gewünscht, wie ihr Gespräch mit Marlene Dietrich, denn ich bin mir sicher, sie hat viele außergewöhnliche Persönlichkeiten getroffen, denen sie auf Augenhöhe begegnet konnte.