Vorurteile und nichts ernstnehmen: Auch in BUCHFORM.

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Ich weiß nicht, wieso ich die Leseprobe gelesen habe.. vielleicht weil ich dachte, das ich gar nicht so enttäuscht werden kann? Ich habe gehofft das Buch würde nicht so einen Problematischen Ansatz vertreten aber doch, hier sind wir.

Bevor ich meine offizielle Diagnose bekommen habe (bei 2 verschiedenen THERAPEUTEN!) dachte ich, irgendwas wäre nicht richtig mit mir. Ich habe mir immer wieder gedacht, das es nicht sein kann, das ich mich so fühle. Nach meiner Diagnose habe ich andere Leute auch auf Social Media gefunden die ähnliche Probleme, Reaktionen und Co beschrieben haben, die ich kannte. Empfindungen die ich kannte und so nachvollziehen konnte. Ich habe mich VERSTANDEN gefühlt. Zum ersten mal so richtig. Ja nur eine THERAPIE kann helfen, nur ein Arzt sollte eine Diagnose machen aber NEIN nicht alle psychischen Erkrankungen sind eine ""Modeerscheinung"" und nicht alle "weißen Mädchen"" sind aus einer Laune heraus traurig. Das ist eine Aussage die einfach UNANGEBRACHT ist. Es ist unter der Gürtellinie. Weit darunter.
Das setzt all denjenigen, die wirklich unter psychischen Problemen leiden – sei es Depression, ADHS, Autismus oder etwas anderes – zu Unrecht den Stempel auf, sie würden sich das alles nur ausdenken oder übertreiben.

Ich war selbst eines dieser „traurigen, weißen Mädchen“ (und nein, nicht aus Wahl!) und musste erleben, wie meine psychischen Probleme jahrelang nicht ernst genommen wurden. Dank Annahmen wie denen im Buch wurde meine tatsächliche Diagnose damals abgetan – und das hat VIELE JAHRE lang davon abgehalten, mich ernst zu nehmen. Ich dachte immer, ich wäre einfach nur zu empfindlich oder würde mir das alles einbilden, was unglaublich schädlich war. Erst viel später erhielt ich eine Diagnose, die ich mir im Grunde selbst schon lange gestellt hatte. Ich hoffe wirklich, dass andere Menschen nicht durch solche simplifizierenden und schädlichen Annahmen leiden müssen, wie sie hier im Buch formuliert werden.

Es ist leider eine traurige Tatsache, dass es vor allem für Frauen schwierig ist, mit psychischen Problemen ernst genommen zu werden. Die Gesellschaft hat oft noch nicht den richtigen Blick darauf, und es gibt eine Menge Vorurteile und Missverständnisse. Das Buch scheint diese Missverständnisse zu perpetuieren, indem es psychische Krankheiten als eine Art „Mode“ oder Trend darstellt. Das finde ich nicht nur falsch, sondern auch gefährlich. Wir brauchen mehr Aufklärung, mehr Empathie und vor allem eine differenziertere Sichtweise auf psychische Erkrankungen. Es tut mir weh zu sehen, wie das in diesem Buch heruntergespielt wird.

Die Kritik an Influencern und der Selbstdiagnose in den sozialen Medien ist nachvollziehbar – natürlich gibt es Leute, die ihre Probleme vielleicht übertreiben oder aus kommerziellen Gründen nutzen. Aber das ist nicht das gleiche wie die Menschen, die echte Erleichterung durch das Verständnis ihrer eigenen psychischen Gesundheit erfahren, sei es durch eine Selbstdiagnose oder durch die Erkenntnis, dass sie nicht allein sind. Die Leseprobe scheint sich aber nur mit der sogenannten „inszenierten Traurigkeit“ zu befassen und geht dabei nur auf eine sehr begrenzte Perspektive ein. Ich hoffe sehr, dass im weiteren Verlauf des Buches auch andere psychische Erkrankungen und Spektren behandelt werden, die genauso ernst genommen werden sollten.

Was mich außerdem stört, ist der sehr sachliche, fast schon akademische Schreibstil. Es fühlt sich eher wie eine Bachelorarbeit an als wie ein Buch, das zum Nachdenken anregen möchte. Der Text ist strukturiert und distanziert, was ihn ziemlich anstrengend zu lesen macht. Ich finde es schade, dass die Autorin hier die Gelegenheit verpasst hat, in einen Dialog mit den Lesern zu treten und eine wirklich offene, tiefgründige Auseinandersetzung mit dem Thema zu ermöglichen.

Letztlich fühle ich mich nach dieser Leseprobe nicht nur enttäuscht, sondern auch ein Stück weit verletzt. Denn die Tatsache, dass psychische Erkrankungen immer noch so missverstanden werden, ist eine Realität, mit der viele von uns täglich leben müssen. Ein Buch, das diese Themen auf solch eine kritische und undifferenzierte Weise behandelt, trägt nur dazu bei, diese Missverständnisse weiter zu verstärken. Ich hoffe, dass sich die Autorin in den späteren Kapiteln etwas mehr mit der Komplexität und den wahren Herausforderungen von psychischen Erkrankungen auseinandersetzt – denn gerade in einer Zeit, in der immer mehr Menschen den Mut finden, über ihre Probleme zu sprechen, sollten wir solche Themen mit mehr Respekt und Feingefühl behandeln.