Neues altes Leben

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
marapaya Avatar

Von

Zwischen Neuseeland und Australien liegt nur ein bisschen Wasser. Was sind schon Zweieinhalbtausend Kilometer? Die australischen Städte versprühen Großstadtflair, in Neuseeland ist alles ein bisschen überschaubarer und ländlicher. Josephine hat daher den Großteil ihrer Zwanziger Jahre in Melbourne verbracht, mit einem netten Arzt in einem netten Haus zusammengelebt und viele Freunde um sich versammelt. Ihr Leben schien in Ordnung, bis sie ihren Freund zusammen mit ihrer besten Freundin in eindeutiger Pose erwischte. Josie kehrt Australien den Rücken und versucht in ihrer alten Heimat neu Fuß zu fassen. In Waimanu, Neuseeland findet sie bei Tante Rose das alte Gefühl von Heimat und Geborgenheit wieder, nicht zuletzt auch, weil Matt dort ist und den Farmbetrieb seines Vaters übernommen hat. Matt und Josie verbindet seit Sandkastentagen eine Freundschaft, in der man sich die Wahrheit unverblümt an den Kopf knallt und jede Schwäche des anderen zu seinem Vorteil nutzt. Aber wenn es hart auf hart kommt, dann stehen die beiden füreinander ein, helfen, wo Hilfe gebraucht wird. Dieser Fall tritt schneller ein, als es Josie lieb ist. Tante Rose erkrankt schwer und kann ihre kleine Farm nicht länger allein versorgen. Josie zieht zu Rose und begegnet nun Matt wieder jeden Tag. Ist da wirklich nur Freundschaft zwischen ihnen oder hat Josie ihre jugendliche Schwärmerei für Matt doch noch nicht überwunden?
In dieser Kurzzusammenfassung des Romans scheint kaum Raum für Überraschungen zu sein. Als geschulter Leser weiß man, dass sich am Ende immer ein Happy End anbahnen wird. Allein der Blick auf die Buchgestaltung scheint Bände zu sprechen: Das Cover ist in den Farben der zarten Liebe gehalten, die Schriftgestaltung romantisch verschnörkelt und der Buchschnitt mit rankenden Rosen verziert.
Die Überraschung findet sich jedoch schon auf den ersten Seiten. Danielle Hawkins Roman ist weder kitschig, allzu vorhersehbar noch seicht. Er bietet wahres Lesevergnügen. Ihre Figur Josephine überzeugt als Ich-Erzählerin und führt den Leser auf 400 Seiten durch ein Jahr voller Höhen und Tiefen. Sie hat eine gute Beobachtungsgabe und einen wirklich amüsanten, trockenen Humor, der in manchen Dialogen regelrecht die Funken sprühen lässt. Hawkins Charaktere sind glaubwürdig gestaltet, warmherzig, offen und mit einigen Ecken und Kanten. Da ist die merkwürdige WG-Mitbewohnerin, die einen Energiesparfimmel hat und elektrisches Licht am liebsten nur rationiert zur Verfügung stellen will. Oder die Schulfreundin, die früh geheiratet hat und nun zu Hause mit Mann und drei Kindern im Chaos versinkt und ihren Humor über dem Kampf mit Tonnen Plastikspielzeug nicht verloren sehen will. Da ist Matts jüngere Schwester Kim, frech, pubertär und mit allen Wassern gewaschen. Und nicht zuletzt Percy, das halbwüchsige Schwein von Tante Rose, verfressen und süchtig nach Streicheleinheiten mit einer Gabel.
„Dinner mit Rose“ erzählt von den unvermeidlichen Wegen, die das Leben geht. Von Familiengeheimnissen. Vom harten Arbeitsalltag auf dem vermeintlich so idyllischen Land. Von Irrwegen im Leben und der Liebe. Und von Krankheiten, gegen die kein Kraut gewachsen ist. Die Autorin verzichtet dabei auf billige Rührseligkeiten. Ihre Figuren halten die Schultern gerade, den Kopf aufrecht und gehen die Schwierigkeiten an. Josephine betrachtet die gescheiterte Liebesbeziehung lieber mit einer Art Galgenhumor, als sich heulend im Bett zu verkriechen. Rose stellt sich ihrer Krankheit und trifft mutige Entscheidungen. Matt sieht über die Schwächen und Fehler seiner Mutter hinweg, ohne dabei sein eigenes Glück aus den Augen zu verlieren. Von dieser Art, das Leben zu sehen, lebt das Buch und seine Figuren. Es reißt den Leser mit in ein Neuseeland, welches wenig mit dem Bild zu tun hat, das wir uns vor der Lektüre aus anderen Quellen zusammenbastelten.