Zartfühlend

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Stefan Hertmans hat mit „Dius“ einen Roman geschaffen, der lange nachklingt. Es ist wie ein Musikstück, dessen letzte Töne noch durch den Raum schweben, obwohl die Melodie bereits verklungen ist. Im Mittelpunkt steht Egidius Dius De Blaeser, ein begnadeter Kunststudent, dessen Talent ebenso strahlt wie seine innere Zerrissenheit. Hertmans zeichnet ihn mit einer Feinheit, die berührt. Dius ist charismatisch, verletzlich, manchmal abgründig. Er ist eine Figur, die man nicht vergisst. Besonders intensiv sind die Szenen zwischen Dius und seinem Dozenten Anton. Die beiden verbindet weit mehr als Kunstgespräche. Es ist eine stille Wahlverwandtschaft, die jedoch an einer einzigen Lüge zerbricht. Viele Jahre später klopft Dius plötzlich wieder an Antons Tür, gezeichnet vom Leben, ein Mädchen an seiner Seite. Von diesem Moment an entfaltet Hertmans ein ruhiges, tief poetisches Nachdenken über Freundschaft, Wahrheit, die Macht der Kunst und die Fragen, die wir uns über die Zukunft unseres Planeten stellen müssen. Man liest langsam, beinahe andächtig, weil jede Szene dicht und bedeutungsvoll ist. Besonders faszinierend ist, wie Hertmans die Kunst selbst in den Mittelpunkt rückt. Was vermag ein Gemälde in uns auszulösen? Wie kann ein Bild eine erschütterte Freundschaft neu beleuchten? Und: Wie spiegelt die Natur, deren Zerstörung im Roman eine leise, aber eindringliche Rolle spielt, unseren eigenen seelischen Zustand wider?
„Dius“ ist kein lauter Roman. Er ist ein Roman der Zwischentöne, der Blicke, der unausgesprochenen Fragen, der Sehnsucht. Wer literarische, feinfühlige Romane liebt, wird in diesem Buch ein besonderes Juwel finden.