Amerika trifft kulinarisch auf Frankreich

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Rezension zu "Dreck" von Bill Buford

Diese Autobiographie erzählt von Bill Buford, der seine Frau und seine Zwillinge packt und nach Lyon geht, um dort seine Kochkünste zu perfektionieren, nachdem er von mehreren Seiten erfuhr, dass DIE Küche einfach nur in Frankreich existiert. Bill will bei den ganz Großen mitmischen, weshalb es für ihn keinen anderen Weg gibt als wieder mal alles aufzugeben, auf eine Karte zu setzen und den Lebensmittelpunkt nach Lyon zu verlegen.
"Wieder einmal" deshalb, weil der Autor einen ähnlichen Weg bereits beschritt, welcher ihn nach Italien führte und die Hauptrolle in seinem Vor-Roman "Hitze" spielt.

Erstmal gebührt Buford großer Respekt für seinen Mut. Schließlich liegen nicht nur kulinarisch, sondern auch anderweitig sprichwörtliche Welten zwischen seiner Heimat Amerika und Frankreich, sondern stellt er ja nicht nur sein Leben, sondern das seiner gesamten Familie regelmäßig auf den Kopf. Das ist schon recht beeindruckend und insofern sehr spannend zu lesen, wie vergleichweise leicht und unbedarft er diverse Hürden nimmt.

Der Autor selbst kommt ziemlich süffisant und ironisch rüber. Er nimmt sich selbst und die Welt nicht zu ernst, weiß aber immer genau was er will und verfolgt seine Ziele äußert hartnäckig, mit ausgeprägter Leidensfähigkeit.

Während es hie und da auch um Zwischenmenschliches geht, dreht sich der Hauptteil des Buches aber um die französische Küche, ihre Köch_innen, die Zutaten und das Kochen an sich.
Mobbing, Stress, Frustration und Druck gehören rasch zu Bufords Alltag. Was man immer schon gehört hat über die Spitzengastronomie, scheint durch diesen Roman bestätigt. Dabei werden nicht nur Klischees bedient, sondern auch echt Informationen weitergegeben. Ein Aspekt, der den Autor sehr ehrt.
An mancher Stelle werden auch kleine Kochgeheimnisse preisgegeben, was mich als passionierte Hobbyköchin besonders freut!

Teilweise war mein Lesevergnügen durch die vielen Verwirrungen im Buch getrübt. In einem Absatz geht es um die Familiengeschichte, im nächste um die Geschichte Lyons, dann wieder befinden wir uns in den verschiedenen Küchen, auf der nächsten Seite sowas wie ein Kochrezept und so weiter - für meinen Geschmack verläuft sich Buford zu oft in den verschiedenen Ebenen seiner Geschichte, die aber jede für sich genommen durchaus interessant und spannend wären.

Generell drängt sich der Eindruck auf, dass Buford der Überarbeitung des Buchs als Ganzes noch etwas mehr Zeit widmen hätte sollen. Es wirkt so "schnell" hingeschrieben. Ein bisschen gehetzt, wo er hätte mit Worten spielen und den Leser_innen zu mehr Verständnis und Lesegenuss verhelfen können.

An manchen Stellen musste ich nochmal nachrecherchieren, ob das Ganze tatsächlich autobiografisch oder frei erfunden ist, da der Autor stark zu Übertreibungen neigt. Dies ist meines Erachtens auch dem typischen anerikanischen Schreibstil zu verdanken, dem sich der Autor bedient. Sowas mag man oder eben nicht.

Insgesamt vor allem für (Hobby-)Köch_innen sehr spannend. Nur wegen dem literarischen Vergnügen braucht man es nicht zu kaufen.