Wenn Männer denken, sie könnten kochen...

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ismaela Avatar

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Dieses Buch hat mich Anfangs so gar nicht angesprochen, weil ich dachte, es ist wieder nur irgendso ein Kochbuch-das-die-Welt-nicht-braucht, weil man für ein Rezept drei Millionen Zutaten braucht (und davon die Hälfte erst in einem Molekularlabor herstellen lassen muss), und am Schluss einen 3-Meter-Durchmesser-Teller hat, auf dem dann ein Erbschen, ein Böhnchen und ein Stückchen Lurchleber liegen.
Ja okay - so weit weg von dieser Beschreibung sind die Gerichte, die beschrieben werden, denn auch nicht, aber hauptsächlich geht es um eine Art Experiment des Autors Bill Buford, der sich irgendwann in den Kopf setzt, mit seiner Familie nach Frankreich zu übersiedeln, um dort die hohe Kunst des Kochens zu erlernen.
Nach vielen Stolpersteinen und kleineren Hürden landet die Familie letztendlich also in Lyon, und Bill schafft es, mit Hilfe von Freunden und Bekannten, nicht nur in verschiedenen Küchen als Praktikant zu arbeiten, sondern auch Kochkurse am berühmten Institut Bocuse zu belegen.
Es gibt zwei Dinge, die ich an diesem Buch sehr unterhaltsam und spannend fand: zum Einen die vielen Beschreibungen und Erzählungen, woher verschiedene Lebensmittel kommen, welche geschichtlichen Zusammenhänge es gibt, oder welche Verflechtungen stattfanden, um bestimmte Lebensmittel oder Gerichte mit bestimmten Ländern in Verbindung zu bringen. Das Ganze liest sich wie eine Mischung aus Essenssach- und Kochbuch. Zum Anderen habe ich die Art von Buford sehr genossen, sich selbst mit viel Humor und Ironie nicht zu ernst zu nehmen und vor allem sein Scheitern in einer sehr unpathetischen und selbstironischen Art und Weise zu beschreiben. Ich hatte niemals das Gefühl, dass er sich als Spitzenkoch sieht - oder auf dem Weg dahin - sondern eher als ein ewiger Schüler, der mal Glück, aber viel zu oft eben Pech hat. Letztendlich kehrt die Familie Buford nach einigen Jahren nach Amerika zurück, und Bill hat das Gefühl, die Geheimnisse der französischen Küche zumindest zum Teil entschlüsselt zu haben.
Der Grund, warum mich dieses Buch in Teilen aber auch ein bisschen grantig zurückgelassen hat, war das Thema Kochen an sich. Man kann natürlich darüber streiten, wie sozial es ist, für die eigenen Spleens die Famile zu packen und umzusiedeln - die Zwillinge waren zu diesem Zeitpunkt kaum drei Jahre alt und konnten weder Englisch noch Französisch, bei ihrer Rückkehr in die USA konnten sie sich erneut nicht verständigen und mussten nochmal komplett von vorne anfangen. Auch die Ehefrau wird nicht groß gefragt, sie passt sich an den Mann an, wie gehabt. Aber die Beschreibungen der Kochkultur an sich, und zwar von der X-Sterne-Küche, hat mich extrem abgestoßen. Die Köche (und ja, ich verwende bewusst nur die männliche Form) benehmen sich wie geisteskranke Psychopathen, die in ihrem Wahn, immer neue absurde Essenskreationen zu kreieren, nicht nur ihre Mitarbeitenden behandeln wie den letzten Dreck (!), sondern auch noch eimerweise Lebensmittel auf den Müll werfen, weil das Filet einen Milimeter zu dick oder zu dünn ist, oder die Erdbeere keine gerade Anzahl gelber Samen auf der Schale hat. Paul Bocuse wird wie eine Gottheit verehrt, was dazu führte, dass er überall dort, wo er auftauchte und Köche in der Nähe waren, von diesen wie ein Schwarm Lemminge verfolgt wurde, und es einem überirdischen Orgasmus gleich kam, wenn man es schaffte, seine Kochjacke zu berühren. Wo Kochazubis beinahe im Minutentakt in den Restaurants kündigen, weil man ja nicht kocht, sondern sich gegenseitig so fertig macht, dass die meisten anschließend wahrscheinlich zur Fremdenlegion gegangen sind, um sich ein bisschen zu entspannen.
Hätte Buford nicht so einen angenehmen Schreibstil, hätte ich das Buch wahrscheinlich zum Schluss hin nur noch quergelesen, so angewidert hat mich der ganze Kochbetrieb, bei dem es in keinster Weise darum geht, Menschen zu ernähren (dafür stehen zu Hause ja die Frauen am Herd). Es geht darum, andere Köche zu demütigen, weil man mehr Sterne hat und der Bessere, ja Beste ist. Braucht man sowas? Eher nicht...