Eine Anklage gegen Alltagsrassismus

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Die Autorin hält dem Leser einen Spiegel vor, es geht um Vorurteile gegenüber nicht-weißen Menschen, um Alltagsrassismus in Deutschland, eben darum auf welche Widerstände Menschen mit Migrationshintergrund - wie es auch so unschön heißt - in unserer Gesellschaft treffen. Sei es in der Schule, oder später bei der Jobsuche, einfach überall. Und es geht auch um Freundschaft, denn die drei Protagonistinnen Saya, Kasih und Hani kennen sich schon seit der Kindheit, sie haben gemeinsam in der Siedlung gewohnt und sind zusammen zur Schule gegangen.

Der Roman beginnt mit einem Zeitungsartikel aus der Boulevard-Presse, der über einen Brand in einem Wohnhaus berichtet. Dann startet die Handlung, es ist Freitagnacht und die Erzählerin Kasih wartet auf ihre Freundin Saya, die die Nacht im Gefängnis verbringen muss. Was ist passiert? Kasih beginnt chronologisch zu erzählen, was sich alles in den letzten Tagen ereignet hat, seit Saya am Dienstag zu Besuch kam, um ein paar Tage bei ihren Freundinnen zu verbringen, anläßlich einer Hochzeitsfeier.

Dabei beginnt Saya direkt voller Wut über diskriminierendes Verhalten durch ihre Mitmenschen zu erzählen. Das Ganze ist aber auch recht unterhaltsam erzählt, und man ist gleich mitten im Geschehen angekommen. Weiterhin wird jetzt über die Tage bis zur Hochzeitsfeier berichtet. Allerdings gibt es auch einige Rückblenden in die Kindheit im „Getto“ - wie Kasih es nennt, eine Siedlung, in der überwiegend Flüchtlingsfamilien wohnten. Nach und nach wird klar, wie unterschiedlich die Freundinnen sind. Hani, die immer versucht allen zu gefallen, und auch auf ihrer Arbeit eher aufopferungsvoll ihre Chefin unterstützt. Dann eben Kasih, die gerade von ihrem Freund verlassen wurde, und die nach ihrem Studium noch auf Jobsuche ist. Und eben die erfolgreiche Saya, die emotional aktuell sehr aufgewühlt ist durch den gerade stattfindenden Prozess geben Nazis, es geht um Morde an Ausländern (NSU-Prozess). Kasih berichtet jetzt von vielen kleinen Vorfällen, die sich eben alle summieren, bis ein Punkt erreicht ist, an dem Sayas Wut überschäumt. So läuft eben alles auf diesen Höhepunkt hinzu, auf die Nacht der Hochzeit und auf die sich anschliessenden Vorfälle.

Ich finde die Art, wie der Roman erzählt wird sehr interessant. Man wird von Kasih als Leser direkt angesprochen, denn sie setzt sich in dieser Freitagnacht nach der Hochzeit hin und schreibt alles auf, für uns Leser, damit wir verstehen können was passiert ist. Das irritiert einen natürlich etwas, weil man als Leser ja sonst quasi anonym mitliest und es nicht gewohnt ist mit eingebunden zu werden. Dadurch wird man direkt damit konfrontiert, dass es diese Art des Rassismus tagtäglich in unserer Gesellschaft gibt.

Die Autorin spielt auch mit der Wahrheit, es geht darum, ob immer alles richtig ist, was berichtet wird. Das gilt vor allem für den Zeitungsartikel vom Anfang, aber auch von der Autorin selbst gibt es teils widersprüchliche Aussagen. Dies schlägt sich schon in den ersten Sätzen nieder: „Ich bin nicht: das Mädchen aus dem Getto. … Ich bin: das Mädchen aus dem Getto.“ Dies setzt sich so fort, wie ein Vexierspiel, wobei man als Leser auch die Aufgabe hat, gedanklich etwas Ordnung in das Ganze zu bringen. Also keine ganz einfache Kost, aber es lohnt sich schon, und das Thema ist natürlich wichtig. Keiner sollte aufgrund seines fremdländischen Aussehens bzw. seiner Herkunft oder aufgrund seines Geschlechts benachteilig werden.

Kleine Abstriche gibt es für mich, da mir manches etwas zu plakativ ist, und weil mir persönlich das Thema Alkoholkonsum/ Party machen hier zu viel Raum einnimmt.

Interessant ist auch der Titel, eine Reminiszenz auf den Roman „Drei Kameraden“ von Eric Maria Remarque, das nach dem ersten Weltkrieg spielt. Und beide Romane spielen in einer namenlosen Stadt, und die Nationalitäten der Eltern der drei Freundinnen wird nicht genannt.

Das Cover passt perfekt, es stellt ein Feuer dar, das sich aus den Deutschland-Farben schwarz-rot-gold zusammensetzt.