Gefangen im Feuerwirbel der Geschehnisse

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„Die Welt war voller Arschlöcher, die nicht müde wurden, ihr menschenverachtendes Weltbild zu propagieren.“

Die drei Kameradinnen Hani, Saya und Kasih verbindet seit vielen Jahren eine tiefe Freundschaft, die so schnell nichts erschüttern kann. Früh haben sie gelernt füreinander da zu sein, sich gegenseitig Halt zu geben, wenn die Welt ihnen diesen verwehrt. Denn bereits als Kinder mussten die Mädchen sich gegen Hass, Hetze und Häme zur Wehr setzen, Vorurteilen und Klischees trotzen. Erfahrungen des Alltags, die sich wie ein roter Faden durch ihre Leben ziehen und diese bis ins Erwachsenenalter miteinander verweben. Die Hochzeit einer gemeinsamen Freundin bringt die drei wieder zusammen in die Stadt ihrer Kindheit und wird unmittelbar zum Kaleidoskop einer terroristischen Katastrophe.

Autorin Shida Bazyar erzählt in ihrem zweiten Roman „Drei Kameradinnen“ kompromisslos von Diskriminierung und Ausgrenzung, von strukturellem Rassismus und rechtem Terror. Ihr Fokus liegt dabei auf alltäglichen Erlebnissen der – als rassifiziert – gebrandmarkten Freundinnen, die von Protagonistin Kasih rückblickend und anachronistisch eingeordnet werden. Messerscharf sind ihre Beobachtungen, die sie so atmosphärisch und anschaulich darstellt, dass Lesende sich in den Situationen befinden, das Unwohlsein und die Scham selbst spüren können. Jede ihrer Anekdoten greift in die nächste und entzündet ein Feuer, dessen Schein mehr und mehr Licht auf einen weiteren Teil der noch im Dunkel liegenden Geschichte wirft. Ihr Stil ist ironisch, sie schreibt schonungslos, sie ist wütend. Nicht selten werden Leser*innen direkt angesprochen und so mit ihren eigenen rassistischen Denkmustern konfrontiert. Das ist unbequem, das tut weh. Bazyar legt den Finger direkt in die Wunde, in das Ego aller weißen cis-Menschen und bohrt. Unterdessen schwelt das Feuer, ebenso wie der beschriebene Hass und wie schon im Kinderspiel „Komm mit, lauf weg“, entsteht eine Nähe-Distanz-Dynamik, die sich in einem pointierten Inferno entlädt!

Gefangen im Feuerwirbel der Geschehnisse, konnte ich mich nicht entziehen, nicht wegschauen und habe mir doch an einigen Seiten die Finger verbrannt. Shida Bazyar hat mit ihrem Roman ein Feuer entfacht und mein Herz steht in Flammen. Für mich ist „Drei Kameradinnen“ der wichtigste Frühjahrstitel in diesem Jahr und ich möchte mich vor Lob einfach überschlagen! Selten, habe ich ein so gutes Buch lesen dürfen, selten wurde ich so in die Story gezogen und schlussendlich trotzdem überrascht. Meine Lobeshymne zum Lesehighlight sei der Funke zu eurer Initialzündung: lest dieses Buch!