Ungemütlich, wichtig und politisch

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dany_87 Avatar

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"Drei Kameradinnen" von Shida Bayzar erzählt die Geschichte von drei jungen Frauen - Hani, Kasih und Saya - die sich von klein auf kennen und in der gleichen Siedlung aufgewachsen sind. Was alle drei eint: ihre Eltern sind als Einwanderer nach Deutschland gekommen, als die drei jeweils noch sehr jung waren.

Der Roman umfasst 352 Seiten und ist im Verlag Kiepenheuer & Witsch als Hardcover erschienen.

Das Cover zeigt eine rot-orange-goldene Flamme auf einem schwarzen Hintergrund. Ich finde das Cover absolut großartig und passend zum Inhalt des Buches. Zum einen spiegelt es die politische Brisanz, aber auch die dramatische Nacht, um die sich alles irgendwie dreht, wider; andererseits erinnern die Farben aber auch an die deutschen Nationalfarben (Flagge) was inhaltlich perfekt zum Buch passt, da es um das Leben und Aufwachsen als Immigrant in Deutschland geht.

Der Roman wird aus der Sicht von Kashi geschrieben und spielt in einer Nacht. Durch Rückblenden erfährt der Leser zum einen, wie die drei Frauen aufgewachsen sind, und zum anderen was sich unmittelbar vor der besagten dramatischen Nacht ereignete. Kashi versucht eine Erklärung für das Passierte zu finden. Durch die Rückblenden werden sowohl typische Alltagssituationen, als auch einschneidende Erlebnisse geschildert. Hierdurch kommt man jeder der drei Frauen nahe, macht sich ein Bild davon wie sie aufgewachsen sind und warum sie auf eine bestimmte Art handeln oder wie sie reagieren. Während Saya sehr politisch ist und sich nächtelang Chatverläufe von Nazis durchliest und fast besessen von diesem Thema ist, versucht Hani ein möglichst unauffälliges Leben zu führen. Sie ist fleißig und will bloß nirgendwo anecken. Kashi selbst irgendwo dazwischen und ich hatte das Gefühl, dass sie ihren eigenen Weg noch gar nicht gefunden hat.

Der Roman hat mir extrem gut gefallen und ich finde ihn auch gerade in der aktuellen politischen Lage für wichtig. Schonungslos wird auf alltägliche Situation hingewiesen, in denen es zu Rassismus kommt. Seien es falsch ausgesprochene Namen oder Vorverurteilungen. In dem Buch gibt es so viele Beispiele für Alltagsrassismus, die absolut authentisch dargestellt werden und die wohl jeder von uns auch schon einmal mitbekommen, miterlebt oder gar selbst getätigt hat.
Neben Rassimus, geht es aber auch um die Aufklärung und politische Haltung zu Attentate auf Ausländer innerhalb Deutschlands, wie beispielsweise dem NSU. Aber auch das Thema Feminismus wird immer wieder auf eine gute Art eingeflochten.

Ich konnte mir die drei Protagonistinnen gut vorstellen, gerade weil sie alle auch Seiten an sich haben, die man vielleicht nicht so sympatisch findet, wirken sie sehr authentisch. Ich finde auch den Titel sehr passend, weil sie zueinander nicht unbedingt alle so richtig gute Freunde sind, sondern eher Kameraden, die auf Grund ihrer gemeinsamen Vergangenheit miteinander verknüpft sind.

Der Schreibstil hat mir ebenfalls gut gefallen. Ich mochte auch die Teile, in denen Kashi den Leser persönlich anspricht. Auch hier wird mit Vorverurteilungen und Unterstellungen gearbeitet. Diesmal jedoch gegen den weißen Leser. Dies stößt sicher bei manchem Leser zu Unmut, da die Stellen teilweise auch recht provokant und barsch sind. Mir persönlich hat dieses Stilmittel aber gefallen. Es rüttelt einen immer wieder wach. Zeigt vielleicht auch eigenes Schubladendenken, Alltagsrassismus auf und es kam mir so vor, als wolle die Autorin hier auch bewusst provozieren um das Gegenüber zum Nachdenken anzuregen.

Wie bereits gesagt, ein, wie ich finde, sehr wichtiges Buch, das definitiv einen Nachhall hat und mich sicher auch noch länger beschäftigen wird.