Schockierend, spannend – und wunderbar erzählt!

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
kainundabel Avatar

Von

Um ein Haar hätte ich die Leseprobe links liegen lassen. Und das wäre unverzeihlich gewesen. Geradezu meisterlich und – angesichts der Ereignisse zögere ich, es zu sagen – wunderbar erzählt Pierre Lemaitre die verstörende Geschichte des zwölfjährigen Antoine, der mit ansehen muss, wie Odysseus, der Hund von Monsieur Desmedt, von seinem Besitzer erschossen und achtlos entsorgt wird. Als Leser empfinde ich zutiefst mit dem sensiblen Jungen und seinen Albträumen, die ihn seit diesem schockierenden Erlebnis verfolgen. Sehr einfühlsam beschreibt der Autor die Ereignisse im Dorf Beauval, charakterisiert die Bewohner aufs Trefflichste, jedes seiner Worte ist wohlüberlegt. Seine ruhige Erzählweise nimmt mich sofort mit in das Geschehen hinein, um mich urplötzlich wie ein Schlag zu treffen: Antoines Wut entlädt sich ausgerechnet an Monsieur Desmedts Sohn Rémi, nur halb so alt wie Antoine und im Glauben, der Hund sei lediglich entlaufen. Das geht schon mächtig unter die Haut, die Tat ebenso wie die Anstrengungen des von seinem eigenen Tun entsetzten Jungen beim Verstecken seines Opfers. Ein zugegeben aufwühlendes Ereignis, aber das eigentliche Thema wird wohl die Frage sein, wie der Junge mit dieser Schuld leben kann. Selten hat mich eine Leseprobe von Beginn an derart in Spannung gehalten. Die Gestaltung des Covers ist hervorragend gelungen und passt einfach sehr gut zur Verzweiflung des Protagonisten.