Charakterschau mit Clou

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Eigentlich ist hier jedes Wort ein Wort zuviel. Schon auf der Verlagsseite wird aus meiner Sicht zuviel verraten. Die Geschichte ist spannend, aber kein Thriller im herkömmlichen Sinne. Mich hat "Drei" kalt erwischt und vollkommen in Beschlag genommen hat.

Schon rein formal ist das Buch unkonventionell. Es gliedert sich in drei Teile – wie der Titel schon andeutet. Im Mittelpunkt jeden Abschnitts steht eine andere Frau. Erst die geschiedene Orna, dann die Immigrantin Emilia und schließlich die verheiratete Mutter Ella. Alle drei Frauen verbindet etwas. Auf den ersten Blick ist es nur eines: ein Gefühl von Einsamkeit. Orna fürchtet sich davor, nach ihrer Scheidung wieder allein zu sein und sucht Kontakt im Internet. Emilia hat einen alten Mann gepflegt, der nun gestorben ist. Isoliert in einem Land, das ihr fremd ist, findet sie eine neue Stelle und ein wenig Glück in der Kirche. Und Ella? Ihr fehlt als Mutter von drei Kindern manchmal einfach die Luft zum Atmen.

Mishani tastet sich mit viel psychologischem Feingefühl an diese drei Frauen heran. Man meint sie wirklich kennenzulernen, kann sich gut vorstellen, dass Orna im Haus gegenüber lebt. Und auch Ella und Emilia wirklich real sind.

Schon bevor der eine entscheidende Moment erreicht wird, in dem klar ist, worauf alles hinausläuft, keimt im Leser ein ungutes Gefühl. Vor allem im ersten Teil des Buches brodelt und arbeitet es unter der sachlich arrangierten Oberfläche.

Mishanis Charakterschau wird von einem Clou getoppt, der für sich genommen nicht einmal so ungewöhnlich ist, in dieser Form aber total überrascht.

Das letzte Drittel hätte man eventuell etwas einkürzen können. Das Ende wäre damit noch prägnanter in Szene gesetzt worden. Dennoch kann ich „Drei“ als anspruchsvollen und originellen Spannungsroman sehr empfehlen. Ebenso wie die Audio-Fassung übrigens, die von Schauspieler Franz Dinda unaufgeregt-nüchtern vorgetragen wird und die anfangs völlig offene Art der Geschichte wunderbar unterstützt.