Die dritte Frau

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singstar72 Avatar

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Es würde mich nicht wundern, wenn wir es hier mit einem neuen Klassiker des Kriminal-Genres zu tun hätten. Obwohl die Zuordnung zum Kriminalroman ja nicht ganz eindeutig ist. Auf jeden Fall aber kann ich den Hype, der in Israel um dieses Buch entstand, sehr gut verstehen. Ich wurde zunächst langsam in das Buch gezogen, konnte aber spätestens bei der Hälfte nicht mehr aufhören zu lesen, und bin am Ende restlos begeistert…!

Was kann man überhaupt über das Buch sagen? Das ist in der Tat schwierig, ohne zukünftigen Lesern die Lesefreude zu verderben. Und das ist auch schon eines der wichtigsten Kennzeichen von „Drei“: es steigert sich langsam, aber stetig, bis hin zu einem Wendepunkt und einem Knalleffekt, die es absolut in sich haben! Man müsste im Prinzip das ganze Buch gleich noch einmal von vorne lesen, um diesmal alle Anzeichen rechtzeitig zu bemerken.

Ein weiteres wichtiges Kennzeichen ist sicherlich auch die Dreiteilung des Buches. Jeder der drei Abschnitte ist aus der Sicht einer Frau geschrieben. Drei Frauen, die sich nicht kennen, aber die alle an den gleichen Mann geraten. Orna, die geschiedene Mutter, Emilia, die lettische Putzfrau, und Ella, die späte Studentin. Drei ganz unterschiedliche Frauen, drei Perspektiven. Und drei sehr unterschiedliche Erzählstimmen! Das ist vom Autor eine großartige Leistung. Die Weltsicht von Frauen, und ihre ganz eigenen Empfindungs- und Sichtweisen, sind ihm sehr überzeugend gelungen. Männer spielen in diesem Buch schon fast eine Nebenrolle… bis auf den einen natürlich…!

Die Sprache ist eigentlich unprätentiös, jedenfalls nicht reißerisch oder auf den ersten Blick fesselnd. Doch gerade das macht am Ende die Lesefaszination aus. Das Tempo der Sätze ist ruhig und gleichmäßig. Es wird beschrieben, beobachtet. Es wird viel Raum gelassen für Gedanken und Gefühle der Frauen. Und – alle drei Abschnitte sind im Präsens geschrieben, was für Romane fast aus der Mode gekommen scheint. Mir aber hat es gefallen, und auch zum Thema hat es gut gepasst.

Am Ende war ein Interview mit dem Autor enthalten, was ich sehr erhellend fand. Hoffentlich wird das Interview auch in die tatsächliche Ausgabe aufgenommen, und war nicht nur eine „Zugabe“ für das Vorab-Exemplar! Dror Mishani erklärt hier nämlich seine Vorbilder und Einflüsse. Und seine eigene Sicht auf den Roman. Er ist eigentlich Literaturwissenschaftler, und hat sich insbesondere mit der Geschichte des Kriminalromans befasst. Das merkt man unbedingt! Denn mit „Drei“ will er ganz offenbar Genregrenzen neu ausloten und definieren. Hier würde ich auch die einzige Einschränkung machen. „Drei“ ist nichts für Freunde des ganz klassischen, spannungsgeladenen Kriminalromans. „Drei“ ist aber sehr wohl eine Fundgrube für Leser, die gerne ungewöhnliche Wege gehen, und sich überraschen lassen. Insofern von mir eine klare und unbedingte Leseempfehlung!