Subtile Spannung

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Dror Mishani, den ich als umwerfenden Autor von Kriminalromanen mit Handlungsort Tel Aviv kenne, legt mit seinem Roman „Drei“ ein Verwirrspiel erster Güte für den Leser vor. Der Verlag hat gebeten, in der Buchbesprechung wenig vom Inhalt zu verraten, was zum einen sicher kluge Marketingstrategie ist, andererseits den Genuss beim Lesen des Buches tatsächlich erhöht.

Drei gestresste, versehrte und von Leben zurückgewiesene Frauen lernen einen äußerst smarten Mann kennen, treffen sich mit ihm, und nichts ist wie es scheint. Ein Krimi in drei Teilen, die sich jeweils den Geschichten von Orna, Emilia und Ella widmen, die getrennt voneinander alle denselben Mann treffen.
Am intensivsten fand ich dabei die Geschichte von Orna, eine junge durch Scheidung versehrte Frau mit kleinem Sohn, die den smarten Anwalt Gil über ein online-Dating-Portal kennenlernt und ihn zu treffen beginnt. Es scheint in ihrem Leben langsam und sehr vorsichtig wieder bergauf zu gehen. Doch schon zu Beginn des Buches schleicht sich das Gefühl ein, dass das nur ein Wunsch von Orna ist, und dass sie in einen Strudel gerät, der sie nach unten zieht.

Letztlich gibt es auch einen Ermittler, der ein Verbrechen aufzuklären hat, doch das ist nicht der Fokus des Buches. Vielmehr zeichnet Dror Mishani mit gekonnter Feder die Psychogramme seiner drei Protagonistinnen als vom Leben gebeutelte und gezeichnete, aber dennoch, wenn auch verschüttet, lebenshungrige und selbstbewusste Frauen. Man fühlt sich wohl an ihrer Seite, der Autor vermittelt ihr Leben und ihre Gefühlswelt voller Empathie für seine Figuren, das läßt den Funken beim Lesen überspringen.
Von Gil erfährt man lange Zeit sehr wenig. Er ist ein bekannter Anwalt, zurückhaltend und sehr verständnisvoll. Seine Gefühle bleiben versteckt, er dient eher als Projektionsfläche für die drei Frauen, mit denen er sich trifft.

Nur wenig ist wirklich greifbar, weder für die Protagonistinnen noch für den Leser. Der Autor spielt sehr gekonnt mit subtiler Spannung, die nur kurz den Vorhang lüpft und nie den ganzen Blick freigibt. Alles wirkt zu normal, zu unauffällig und zu liebenswürdig, und ein winziges kleines Gefühl ganz hinten im Kopf warnt, dass nichts ist wie es scheint. Dazu kommt eine düstere, fast depressive Grundstimmung im Buch, die auch schöne Momente nicht wirklich wegwischen können.
Die Spannung steigt kontinuierlich, und sehr viele unerwartete Wendungen machen das Buch zu einem großen Lesegenuss nicht nur für Krimifans.