Vom Umgarnen und Manipulieren

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druckdeufel Avatar

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Orna ist allein mit ihrem Sohn, nachdem ihr Mann sie wegen einer anderen verlassen hat. In einem Dating-Portal schreibt sie jemanden an, es kommt zum Dialog und einer ersten Annäherung.
Emilia pflegt den betagten Nashim bis zu seinem Tod und wendet sich dann wegen eines juristischen Rats an dessen Sohn.
Ella tippt Morgen für Morgen in einem Café konzentriert an ihrem Laptop, bis sie bei einer Raucherpause nach einer Zigarette gefragt wird.
Der Autor Dror Mishani schickt den Rechtsanwalt namens Gil in drei Abschnitten in Begegnungen mit drei Frauen. Sie sind sehr unterschiedlich, was Alter, sozialen Status, Erwartungen angeht. Äußerst sachlich, rein deskriptiv, gleichzeitig höchst einfühlsam und mit scharfem Blick schildert Mishani sie in ihren momentanen Verfassungen und Situationen. Als Individuen haben sie Ecken und Kanten, sie erwerben Sympathien, aber nicht nur.
Manchmal wundert man sich, fühlt sich abgestoßen, empfindet Mitleid und Sorge. Bangt und freut sich mit ihnen. Das Buch beginnt trügerisch unspektakulär und entwickelt doch von Anfang an einen gewaltigen Sog. Ständig fragt man sich, wo führt das hin? und läuft der Überraschung geradewegs in die Arme.
Wie es Gil gelingt, die Frauen für sich einzunehmen? Er ist weder attraktiv noch charismatisch, prahlt weder mit Wissen noch mit Reichtum. Jedoch findet er immer die richtigen Worte, die passenden Antworten, weiß genau, was die Frau hören will, umgarnt sehr vorsichtig und manipuliert auf dezente, aber wirkungsvolle Weise.
Ähnlich suggestiv arbeitet der Autor. Am Ende des Buches wird der Leser wissen, dass auch er umgarnt und manipuliert wurde, wenn auch auf einer völlig anderen Ebene.
Vielleicht ist das Thema gar nicht so ungewöhnlich. Die Machart ist es allemal.