Der Charme vergangener Tage

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regenprinz Avatar

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Dieser Roman war der erste, den ich von Arturo Pérez-Reverte gelesen habe, und er hat mir gut gefallen. Leicht und ein bisschen wehmütig kommt die Geschichte daher, denn Max Costa, der Erzähler, ist alt geworden und hängt seinen Erinnerungen nach - wie er einst als smarter Salontänzer die Welt und die Herzen der Frauen eroberte, die einer Klasse der Gesellschaft angehörten, bei der er trotz seines perfekten Aussehens und Benehmens meist doch nur Zaungast war.
Ich fand es sehr angenehm zu lesen, wie die Geschichte dabei stets zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart hin- und herspringt. Denn als Max der wunderschönen Mecha zum dritten Mal in seinem Leben begegnet, geht es nicht mehr nur um ihre gemeinsamen Erinnerungen, sondern auch um das, was jetzt gerade passiert - ihr Sohn Jorge will Schachweltmeister werden und muss dabei mit allerlei Intrigen kämpfen.
Nach und nach enthüllen sich die Geschehnisse der Vergangenheit und dann wird oft der Zauber einer Ära spürbar, die wirklich längst vergangen ist, aber deren Musik z.B. überdauert hat. Man kann es nachfühlen beim Lesen, was Max für Mecha empfindet und auch, wie er seinen Weg sucht, in dieser Zeit und in diesem Leben zu bestehen, trotz seiner Herkunft und trotz der Gespenster in seinem Kopf, die aus Kriegszeiten stammen. Ein Gentlemanganove in Reinform, ein Spieler, ein Dieb, der manchmal oben und manchmal ganz weit unten ist, denn nicht immer bleibt das Glück an seiner Seite.
Ich fand es sehr gelungen, wie authentische Persönlichkeiten und Begebenheiten im Buch mit eingebaut wurden - so will z.B. Mechas erster Mann Armando unbedingt DEN Tango komponieren, weil er eine Wette mit Ravel laufen hat und gegen seinen Bolero antritt. Auch die Hintergründe, die man dabei über die Entstehung des Tangos und seine verschiedenen Arten erfährt, fand ich spannend. Genauso wie die politischen Verwicklungen der Vorkriegsjahre. Der Roman schafft es dabei, fast wie ein Film zu wirken, weil er so viele Bilder im Kopf erzeugt.
Die Liebesgeschichte bleibt dabei stets bittersüß, denn nicht nur die Begegnungen der beiden sind schwierig, ihre Persönlichkeiten sind es auch. Zu viel bleibt verborgen und unausgesprochen, zu kurz sind die Momente der Nähe. Dennoch ist es schön zu lesen, wie Max am Ende dank Mecha noch einmal über sich hinauswachsen kann, sein Schatten das Charisma zurückgewinnt, auch wenn der Roman natürlich kein rosarotes Happy End haben kann. Das hätte ja auch überhaupt nicht dazu gepasst.
Fazit: Ein schönes, stimmiges Buch, das ich gerne gelesen habe.