Dreimal im Leben

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jiskett Avatar

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Originaltitel: El tango de la Guardia Vieja (2012)
526 Seiten

Buchrücken:
»Ein ganz und gar außergewöhnlicher, ein vollkommener Liebesroman!« El Mundo
"Dreimal im Leben" erzählt eine Geschichte voller Sehnsucht und Eleganz. Durchweht von der Nostalgie nach einer Welt, deren Glanz verblasst und deren Melodie verklungen ist, beschwört der Roman den bittersüßen Zauber verstrichener Gelegenheiten - und die lebenslange Liebe zweier Menschen.

Inhaltsangabe (Klappentext) :
Auf einem Ozeandampfer begegnen sie sich das erste Mal, es ist das Jahr 1928. Max, jung und von wildem Charme, arbeitet als Eintänzer in der ersten Klasse. Mecha zieht ihn augenblicklich in den Bann, ihre aparte Schönheit, der weltberühmte Komponist an ihrer Seite, das funkelnde Perlencollier um ihren schlanken Hals. Es folgt ein Tanz, ein nichtssagender Smalltalk, der verheißungsvoller nicht sein könnte. In Buenos Aires angekommen, führt Max das Paar durch die zwielichtigen Tangobars seiner Geburtsstadt. Doch in dieser Nacht geraten die Dinge außer Kontrolle, und für Max und Mecha beginnt das Abenteuer ihres Lebens: die große Liebe. Eine Liebe, die erst viele Jahre später auf der Promenade Nizzas zwischen entrücktem Glamour und den Wirren des Krieges eine zweite Chance erhält.
Amouröse Verwicklungen, Spionage, abgründige Intrigen - Arturo Pérez-Reverte hat eine so zarte wie monumentale Geschichte geschrieben, die das Leben zweier Menschen und die ganze Welt umspannt.

Der Autor (dem Buch entnommen) :
Arturo Pérez-Reverte, 1951 im spanischen Cartagena geboren, ist einer der erfolgreichsten Autoren Spaniens. Sein Werk wurde in 41 Sprachen übersetzt, sein Roman "Der Club Dumas" ist ein Weltbestseller und wurde von Roman Polanski mit Johnny Depp in der Hauptrolle unter dem Titel "Die neun Pforten" verfilmt. Arturo Pérez-Reverte arbeitete 21 Jahre als Kriegsreporter. Seit 2003 ist er Mitglied der Real Academia Española.

Aufbau + Stil:
"Dreimal im Leben" umfasst 526 Seiten, die in 13 Kapitel und die zweiseite Danksagung des Autors unterteilt sind. Der Geschichte vorangestellt ist eine Art kurzer, dreiseitiger Prolog, der sich mit Armando de Troeye, Mechas Ehemann, beschäftigt.
Die Kapitel sind recht lang, teilweise um die fünfzig Seiten. Allerdings sind sie in mehrere Sinnabschnitte gegliedert: Die Handlung springt regelmäßig zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her. In der Vergangenheit wird erzählt, wie Max und Mecha sich 1928 kennen lernen und wie es weiter geht, während sie sich 1966 in der Gegenwart zum dritten Mal treffen.
Der Wechsel der Erzählzeit wird durch einen doppelten Absatz verdeutlicht (auch wenn es auch vorkommen kann, dass zwei "Abschnitte" nacheinander Vergangenes behandeln), zudem ist die Geschichte des Jahres 1966 im Präsens geschrieben, alles ab 1928 dagegen in der Vergangenheit. Oft lassen sich Parallelen zwischen den Erzählungen in Vergangenheit und Gegenwart finden.
Die Überschriften der Kapitel sind so gewählt, dass sie zu beiden Handlungssträngen passen.

Meinung:
"Ich warne dich, Max. Wenn du jetzt sagst, ich sei die große Liebe deines Lebens gewesen, stehe ich auf und gehe." - Seite 180.

Die Liebesgeschichte, die Pérez-Reverte in "Dreimal im Leben" erzählt, ist mehr als ungewöhnlich. Das Konzept ist hierbei auf den ersten Blick nicht neu: ein Mann und eine Frau treffen sich, schlafen miteinander und werden durch das Schicksal getrennt, bis sie sich schließlich nach langen Jahren wieder sehen. In gewöhnlichen Geschichten wäre dieses zweite Treffen allerdings das Happy End, während Max und Mecha sich erneut verlieren und für neunundzwanzig Jahre nicht mehr sehen. Und als sie sich zum dritten Mal sehen, bedeutet dies keineswegs, dass nun alles gut wird...
Max Costa ist ein sehr sympathischer Protagonist, obwohl man ihn durchaus als Hochstapler und Kleinkriminellen bezeichnen kann. Er hatte es wirklich nicht leicht im Leben, hat aber seine Nische und Möglichkeiten gefunden, dennoch das beste aus allem zu machen. Er ist sehr charmant, liebenswert und die Reise durch sein Leben bietet einige interessante Facetten.
Mecha Inzunza ist ebenfalls recht sympathisch, auch wenn sie im Vergleich zu Max etwas blass bleibt. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass wir hauptsächlich IHN auf seinem Weg begleitet - einem Weg, der ihn immer wieder zu Mecha zu führen scheint, einer wohlhabenden, wagemutigen Frau, die oberflächlich kühl wirkt, aber keineswegs eiskalt ist.
Die beiden könnten unterschiedlicher nicht sein - dennoch ist vom ersten Moment an eine seltsame Anziehung zwischen den beiden. Auch, als die Leidenschaft sich entlädt, fühlt Max sich immer noch unwiderstehlich von der Frau des Komponisten angezogen. Vor allem der Tango der "alten Art" schweißt die beiden zusammen - bis Max flieht...
Auch ihr Wiedersehen in Nizza, neun Jahre später und unter sehr ungünstigen Umständen, ist von widersprüchlichen Gefühlen geprägt. Natürlich ist dort Leidenschaft, aber auch Verachtung und Wehmut. Dem Autor ist es dabei vortrefflich gelungen, diese Gefühle glaubwürdig darzustellen und so zu präsentieren, dass der Leser mit den beiden fühlt und versteht, wieso sie genau so und nicht anders handeln.

Die Liebesgeschichte ist alles andere als süß oder ruhig. Sie ist zunächst von Leidenschaft geprägt, von körperlicher Anziehung. Das Wort "Liebe" fällt recht spät. Dennoch ist ihre Geschichte, die "Beziehung" der beiden sehr faszinierend und fesselnd. Sie wirkt authentisch, glaubhaft. Man kann sich sehr gut vorstellen, dass Max und Mencha sich wirklich 1928 kennen gelernt haben könnten.
Soweit ich das beurteilen kann, hat der Autor die Stimmung der damaligen Zeit gut eingefangen. Man fühlt sich hineinversetzt in die Zeit der Tangos, der Eintänzer und der zwielichtigen Gestalten, die Pérez-Reverte hier heraufbeschwört. Dazu trägt auch sein eindrücklicher Schreibstil bei: er versteht es gut, die Atmosphäre zu kreieren, die die Geschichte seiner Protagonisten am besten unterstreicht. Man kann die beiden vor sich sehen, wie sie in einer schmutzigen Bar einen unanständig intimen Tango tanzen, gleichzeitig kauft man ihnen aber auch ab, dass sie sich wie selbstverständlich in teuren Hotels bewegen können.

Was mich ein wenig gestört hat, ist die Darstellung des Sexuallebens der beiden. Ich fand es befremdlich von Sex zu lesen, bei dem sie ihn so lange schlägt, bis seine Nase blutet oder dass sie sich von ihrem Mann schlagen ließ, geschweigedenn, dass sie ihn zu Sex mit Prostituierten nötigen wollte. Natürlich ist das persönlicher Geschmack und wie sagt man so schön: jedem das seine. Dennoch fand ich es ein wenig befremdlich, sodass ich diese Stelle schnell überflogen habe.
Generell kann man aber sagen, dass die vereinzelt auftretenden erotischen Szenen keineswegs geschmacklos, plakativ oder ordinär sind.

"Dreimal im Leben" ist ein Roman, der sich gut und - trotz seiner 500 Seiten - flüssig lesen lässt.
Leider stockte ich, gerade am Anfang, ständig im Lesefluss. Dies liegt zum einen daran, dass ich zunächst Probleme damit hatte zu erkennen, ob wir uns im Jahr 1928 oder im Jahr 1966 befanden, vor allem, wenn der Wechsel der Erzählzeit am Beginn einer neuen Seite stattfand. Nach einiger Zeit war es aber kein Problem mehr, zu erkennen, in welcher Zeit die Geschichte gerade spielt.
Gravierender fand ich den häufigen Einsatz des Konjunktivs. Pérez-Reverte fasst oft längere Passagen, die im Dialog gesprochen werden würden, in der indirekten Rede zusammen. Dies kürzt zwar die Handlung und ich bin mir nicht sicher, ob ein endloser Monolog besser zum Lesen gewesen wäre, aber diese Abschnitte luden mich sehr dazu ein, sie nur zu überfliegen.
Zu Beginn des Romans sind zudem mehrere spanische Worte (scheinbar zusammenhangslos) in den Fließtext eingestreut, die nicht übersetzt werden. Es waren zwar keine wichtigen Stellen und das Verständnis der Handlung blieb unbeeinträchtigt, dennoch stolperte ich immer darüber, weil ich versuchte, mir die Bedeutung zusammenzureimen.

Ein weiter wichtiger Punkt ist, dass "Dreimal im Leben" nicht nur eine Liebesgeschichte ist.
Der Roman spielt zwischen 1928 und 1966. In dieser Zeit hält der Protagonist Max sich an allen möglichen Orten auf, in Buenos Aires, in Nizza, Spanien, Paris, Sorrent. Dies ermöglicht dem Autor, eine Vielzahl an historischen Fakten einzuarbeiten. Es ist die Rede vom spanischen Bürgerkrieg, den Sowjets, der Entstehung des Tangos, dem Schachspiel, sogar der Mord an Rasputin wird erwähnt. Dabei hat Pérez-Reverte es aber geschafft, diese Fakten so beiläufig in die Geschichte einzuarbeiten, dass man sie ganz nebenbei aufnimmt und nicht das Gefühl hat, mit Wissen erschlagen zu werden, allerdings bekommt man genug Anreize, um zu googeln und mehr über die Ereignisse zu erfahren, die hier angedeutet werden. Alles, was der Autor erzählt, setzt er aber in Bezug mit Max Costa oder Menschen, die der frühere Eintänzer kennt.
Mich faszinierten dabei, neben Max' kleiner (fiktiver) Rolle im spanischen Bürgerkrieg, der Tango und das Schachspiel. Die Geschichte des Tangos scheint der Autor korrekt wiedergegeben zu haben, da die Schachweltmeisterschaft aber im Roman eine Rolle spielt, ist er hier von der Realität abgewichen und hat sich Spieler ausgedacht. Wenn Fachbegriffe fallen, werden sie stets erklärt, sodass auch Leser, die keine Ahnung haben, der Handlung folgen können. Die Erklärungen passen dabei sehr gut in die Geschichte und sind ein selbstverständlicher Teil davon, man muss nicht das Gefühl haben, dass man hier etwas lernen soll.

Das Ende der Geschichte ist perfekt. Bittersüß, genau wie der Roman.

Insgesamt hat mir "Dreimal im Leben" sehr, sehr gut gefallen. Die Geschichte ist atmosphärisch dicht, die handelnden Charaktere sind weder übertrieben perfekt noch handelnde Klischees und die Erzählung ist perfekt in die realen Geschehnisse eingebettet.
Für die oben genannten Kritikpunkte wegen des Leseflusses und der Darstellung der Sexualität der Protagonisten würde ich einen halben Stern abziehen, ansonsten kann ich das Buch wärmstens empfehlen.