Bevor man verschwindet muss man erst mal da sein

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donna vivi Avatar

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Friedemann Karigs „Dschungel“ ist voller Überraschungen. Die Ausgangssituation der Geschichte ist an sich nicht ungewöhnlich: Alltagschaos, Gefühlschaos, die Oberflächlichkeit einer Konsumgesellschaft in der heutigen, schnell gelebten Zeit, die großes Vertrauen in fertig gelieferte Dinge setzt. Und in seichte zwischenmenschliche Beziehungen. Zwei Freunde, die jungen Männer Felix und der „Herr Doktor“ bilden als Hauptfiguren eine winzige Therapiegruppe. Felix flüchtet, verschwindet aus Deutschland und macht sich auf eine alles entscheidende Reise nach Kambodscha. Sein Freund macht sich auf den langen, abenteuerlichen Weg, um ihn zu finden. Doch wo soll die Reise enden?

Die melancholischen Kindheitserinnerungen schaffen eine besondere Atmosphäre. Sie werden durch den Erzähler, den „Herr Doktor“, gefühlvoll wiedergegeben. Nach wenigen Jahren Abstand, im jungen Erwachsenenalter, kommen unterdrückte Emotionen auf die Oberfläche, die damals im Kindesalter keine besondere Bedeutung hatten.

Im Laufe der Erzählung vermittelt der Autor kluge Erkenntnisse und stark gesellschaftskritische Aussagen, die man je nach Situation ernst oder eben locker und leicht – vielleicht sogar mit wohl wissendem Augenzwinkern – nachempfinden kann. Doch die Gedanken über die Wahrnehmung der Realität und über die Entwicklung der modernen Zivilisation hinterlassen Nachklang.

Der philosophische, nachdenkliche Grundton macht diesen Roman besonders bemerkenswert. Die Reise ins unbekannte, für Europäer fremdartige Land, Kambodscha – im Vordergrund stets der „Herr Doktor“–, zeigt einen gut ausarbeiteten Entwicklungsweg, ein leises Ausbrechen aus dem grauen Alltag mit zynischem und nebenbei sehr intelligentem Spott geschmückt.

Wird es etwa erst im kambodschanischen Dschungel klar, was Freundschaft bedeutet? Muss man durch schweres Dickicht, um sich selbst zu erkennen, Zusammenhänge zu verstehen und Prioritäten zu setzen? Was riskiert man für einen besonderen Freund und welchen Preis zahlt man (gern) dafür?

Die ungekürzte Hörbuch-Version: Entsprechend der vom Autor vorgegebenen meditativ-nachdenklichen Szenen bringt der Sprecher, Fabian Busch, leise Gedanken, Hoffnung und Verzweiflung gleichermaßen sensibel näher. Sein kumpelhafter, frischer Ton verhilft zu einem außergewöhnlichen Hörbuch-Erlebnis.