Reise in den äußeren und den inneren Dschungel

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evaczyk Avatar

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Besonders abeteuerlustig ist er nun wirklich nicht, der namenlose Ich-Erzähler in Friedemann Karigs Debütroman "Dschungel". Er ist nicht schwindelfrei, Abgründe machen ihm Angst, er ist eher introvertiert und es fällt ihm schwer, auf andere Menschen zuzugehen. Doch ausgerechnet er macht sich nun auf den Weg nach Südostasien, ins Ungewisse und auf der Suche nach Felix, seinem besten Freund, der anscheinend spurlos verschwunden ist. Sein letztes Lebenszeichen kam aus einem Hostel in Kambodscha, und genau dorthin reist nun auch der Abenteurer wider Willen.

Die Reise in die Ferne findet ihre Entsprechung in einer Reise in die Vergangenheit, denn in vielen, oft grüblerischen Rückblenden erfährt der Leser von der wechselvollen Freundschaft zwischen Felix und dem Erzähler, die seit der Grundschulzeit andauert. Äußerlich ähneln sich die beiden jungen Männer offenbar, doch vom Charakter her könnten sie nicht unterschiedlicher sein. Felix, das ist derjenige, der Risiken eingeht, der Aufregung sucht, dem Freundschaften leicht fallen, der bei seinen Streichen oft keine Grenzen kennt, dessen Zuhause aber auch irgendwie toxisch wirkt. Felix ist die Sonne, um die das Universum des Erzählers kreist, entfaltet einen Magnetismus, der manchmal abstoßend ist, nur um dann erneut den Freund in seinen Bann zu ziehen.

Für Felix gibt der Erzähler sogar die symbiotische Beziehung zu seiner Freundin auf, um sich auf die weite Reise zu begeben, für ihn springt er über den eigenen Schatten, um Fremde anzusprechen, ihnen das Bild von Felix auf seinem Handy unter die Nase zu halten, macht sich freiwillig lächerlich oder geht den Leuten auf die Nerven. Das ist eben Freundschaft. Und ganz allmählich führt er das Leben, das Felix geführt hat, als er mit dem Rucksack nach Asien aufbrach, zwischen Strand, Traveller-Treffpunkten und Drogenparties.

Karig spart nicht mit ironischen Beobachtungen auf die Szene junger Menschen aus den reichen Ländern, die im armen Kambodscha ihr tropisches Paradies suchen, die sich als "Reisende" den Touristen überlegen fühlen, nur um ebenso wie diese im eigenen Saft zu schmoren, mit Bananenpfannkuchen eben statt im all inclusive resort. Die angeblich so großen Individualisten wollen sich abseits ausgetretener Pfade bewegen und folgen letztlich nur dem bereits breitgetrampelten lonely planet trail. Letzte Stufe vor den Developern und der Vorbereitung des Massentourismus eben.

So ist "Dschungel" eine Mischung aus Reiseroman, psychologischem Monolog, Reflektion über Freundschaft und die Suche nach dem anderen, die auch zur neuen Entdeckung des eigenen Selbst wird.Der Dschungel wird dabei zur Metapher chaotisch-wilden Innenlebens. Dieses Debüt macht neugierig auf mehr.