4, 5 Sterne für Teenagerneid, Alterspubertät und mehr Gelassenheit

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elke seifried Avatar

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Kein leichtes Unterfangen, sich als Vater einer achtzehnjährigen Tochter und Ehemann den Herausforderungen des Alltags zu stellen. Denn „Die Situation ist neu, deprimierend, und ich weiß nicht, ob ich mich daran gewöhnen kann. Nichts lässt einen das eigene Alter so sehr spüren wie die Anwesenheit junger Menschen mit frisch erwachtem Sexualtrieb. Manchmal sitzen meine Frau und ich vor dem Fernseher, schauen einen Tatort und der erotischste Satz, der an diesem Abend fällt, lautet: »Schatz, kannst du mir mal die Salzstangen reichen?« Während nur ein paar Meter entfernt, im Zimmer formerly known as Kinderzimmer, zwei Teenager in einer Hormonexplosion durch das Kamasutra reiten.“. Teenagerneid und Alterspubertät schlagen geballt zu und alles Jammern, »Ich hab dein Gejammer gehört. Dein ewiges Lamento. Gott ist sooo ungerecht! Gott gibt der Jugend alles und mir gibt er nichts! Mimimimi!« wird sogar dem lieben Gott zu viel und da Ablenkung und eine Aufgabe schon immer geholfen haben, lässt sich der was einfallen. „Pass auf: Ich will, dass du ein Buch schreibst. Über das Alter.« »Noch ein Buch? Ich habe doch schon Es ist nur eine Phase, Hase …« »Jammer nicht! Ich musste auch zwei Bücher schreiben, bis meine Botschaft halbwegs verstanden wurde. Das Alte Testament war ein ziemlicher Flop. Also schrieb ich das Neue Testament und – bingo! Bestseller.« »Und was stellst du dir so vor, inhaltlich?« »Ein Buch, in dem die mittleren Jahre so kraftvoll, faszinierend, beglückend, berauschend, in jeder Sekunde lebenswert beschrieben werden, dass alle jungen Menschen, die es in die Finger kriegen, rufen: Ich will auch endlich in die Alterspubertät kommen!« »Das wir dann aber sehr fiktional, Gott.« »Na und? Waren meine Bücher auch.«

»Ich finde, das Leben ist völlig falsch organisiert«, sagte ich. »Die Jugend ist sehr kurz, das Alter dagegen sehr lang. Warum ist es nicht andersherum?«, Als Leser bekommt man so manche Ungerechtigkeit präsentiert, darf darüber jammern, und mit dem Ich Erzähler etwas wehmütig in Erinnerungen der jungen Jahre schwelgen. »Ich mag die Jugend nicht«, sagte Gott. »Echt?« »Ich habe den Menschen gut achtzig Lebensjahre geschenkt, aber ihr Trottel seid nur an den paar Jahren Jugend interessiert. Den Rest haltet ihr für optimierbar oder überflüssig. Das ist respektlos. Vielleicht schaffe ich die Jugend wieder ab.« »Gott, bitte! Du solltest jetzt nichts überstürzen. So aus der Emotion heraus …«. Aber, da niemand respektlos sein will man schließlich, werden auch die guten Seiten die das Alter so mit sich bringt, wie „Überhaupt, das merkte ich nun, war 18.30 Uhr eine wunderbare Partyzeit. Wie oft hatte ich früher versucht, bis Mitternacht durchzuhalten, um in einen Club zu gehen, der gerade erst öffnete, um dann dort weiter zu warten, bis gegen zwei oder drei Uhr die Party endlich in Gang kam.“, oder „Das Allerschönste aber war dieses Gefühl - plötzlich der Jüngste zu sein.“ auf ihre Tauglichkeit getestet.

Die Geschichte sprudelt nur so an Situationskomik. Da wird der Ich-Erzähler schon mal zum besten Kunden von Douglas und nach Tages-, Augen- Nachtcreme und sonstigem, ist der Kauf des Tages, „Nagelöl? Echt? Fragte meine Frau. Sie muss sich noch etwas gewöhnen an meine neue Identität als gepflegter Herr.“, wenn wundert´s ich würde wohl auch erschrecken, wenn gilt, „Vor ein paar Tagen lag ich mit einer selbst angerührten, reinigenden Gesichtsmaske aus Quark, Basilikum, Zitrone und Teebaumöl auf der Couch, meine Frau kam ins Zimmer und schrie auf, als hätte sie den Leibhaftigen gesehen.“. Es ist viel Abwechslung geboten und das Büchlein unterteilt sich in verschiedene kurze Episoden, die sich auch gut zwischendurch für ein paar Lacher und gute Laune sorgen können. Da gibt es schon mal Zwiegespräche mit dem besten Stück, das in Vorruhestand gehen will und bei denen am Ende feststeht, „Von der Zukunft aus ist betrachtet, ist die Gegenwart doch gar nicht so schlecht.“, Listen welche humorvollen Filme einem die Laune heben, welche Liedtitel einem die jugendliche Laune wiederbringen können oder auch Ausflüge in die neue Experimentierfreudigkeit der Ehefrau mit Tango und Spirituellem. Aber keine Angst es wird nicht so abgedreht wie beim Kollegen „Heute fährt sie zweimal im Jahr nach Indien, zu einem halb nackten Guru, der auf einem verlausten Schaffell sitzt.“, die geliebte Gattin kann rechtzeitig eingebremst werden. Der pointierte Schreibstil der Autoren macht einfach Spaß und gute Laune. Ich hatte herrlichstes Kopfkino, habe oft schallend laut gelacht. Mit witzige Kreationen wie z.B. billige Tankstellenwürstchen zu adeln „Die sind Aral? Nie gehört? Der neueste Trend. Aus Japan. Aral bedeutet: algenbasierte reizarme anitallergene Lebensmittel.“, haben mir die beiden auch immer wieder aus der Seele gesprochen, „Frühere Generationen hat Angst vor dem Hunger. Wir haben Angst vor dem Essen.“, wie verrückt. Manchmal dachte ich mir auch, ja genau so ist´s „In der einen Hand ein Bier, in der anderen ein Handy, seltsame Zwitterwesen, hin– und hergerissen zwischen Jungsgefühl und Erwachsenem–Ernst.“, vieles erlebt man einfach nicht mehr so wie früher.

Auch wenn mir vielleicht ein, zwei Episoden zwischendurch nicht ganz so zugesagt haben, und ich dadurch zwischendurch einen kleinen Durchhänger in meiner Euphorie beim Lesen hatte, runde ich 4,5 Sterne auf fünf für dieses kurzweilige Lesevergnügen auf.