Du

Denn Du bist still... brutal... und unberechenbar

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scylla Avatar

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 Mitten im Winter ermordest DU auf einer Autobahn unzählige Menschen. So still und leise, dass es niemand mitbekommt. Als die Polizei am Tag danach auf deine Tat aufmerksam wird, liegen deine Motive im Dunkeln. Und dort werden sie auch bleiben. Denn nur DU weißt, wonach DU wirklich suchst. DU bist der Reisende und nur DU kennst dein Ziel.

 

Es ist schon eine eigenartige Atmosphäre, die Zoran Drvenkar in seinem Buch kreiert. Wer kann sich schon gut in die Rolle eines skrupellosen Mörders versetzen? Aber es bleibt dem Leser nichts anderes übrig. Die einzigartige Erzählperspektive verlangt von ihm vollständige Identifikation. Das hinterlässt vor allem am Anfang ein komisches Gefühl beim Lesen.

 

Individuelle und schnell wechselnde Perspektiven haben es dem Autor generell angetan. Gerade hat sich der Leser von „seinem“ letzten Massenmord erholt, bekommt die Geschichte schon wieder eine ganz andere Wendung. Der Reisende ist nämlich am Anfang eher eine Randfigur und sein Treiben steht noch in keinem Zusammenhang mit der Haupthandlung. Darin geht es nämlich um 5 Freundinnen, die sich durch eine Verkettung von Ereignissen auf einmal auf einer ungewöhnlichen Flucht befinden, verfolgt von einem skrupellosen Drogenboss, den sie nicht nur seines gesamten Drogenvorrats, sondern auch seines Bruders beraubt haben.

 

Die Geschichte wird dabei abwechselnd aus der Sicht aller Mädchen sowie ihrer Verfolger erzählt. Dadurch ergeben sich unzählige Perspektiven, man lernt aber auch alle Charaktere im gleichen Umfang kennen. Manchmal ist es allerdings schwer, die Mädchen richtig einzuordnen bzw. ihr Verhalten nachzuvollziehen, da sie sich vom Charakter und ihren Beweggründen sehr unterscheiden.

 

Ein weiteres Charakteristikum ist die spezielle Zeitstruktur. Dass es manchmal Rückblenden in die Vergangenheit gibt, sollte eigentlich keinen Leser mehr schockieren. Durch die unterschiedlichen Erzählperspektiven gerät aber auch die gegenwärtige Handlung in einen wahren Zeitstrudel. Manche Handlungen laufen gleichzeitig ab, andere haben bereits zuvor stattgefunden und wirken auf das aktuelle Geschehen zurück. Diese Erkenntnis löst an manchen Stellen des Buches einen kleinen Schock aus. Die Personen, wie auch die Handlung insgesamt, sind unberechenbar. Das kann zwar manchmal etwas verwirrend sein, macht aber auch die Spannung des Buches aus.

 

Durch den ständigen Perspektivwechsel und die differenzierte Zeitstruktur wirkt das Geschehen teilweise wie ein Puzzlespiel. Da die Handlung aber trotzdem, entgegen des anfangs aufkommenden Eindrucks, eine gewisse Kontinuität besitzt, kann man immer gut folgen. Zum Ende hin fügen sich die Handlungsstränge blitzschnell zusammen und das Puzzle löst sich auf.

 

Das direkte Finale mit dem Aufeinandertreffen aller Charaktere ist, wie auch schon im Vorgängerroman „Sorry“, wieder ein wenig gewöhnungsbedürftig. Es passt zwar zur Gesamtstory, ist aber für meine Verhältnisse ein wenig zu abgedreht. Und um noch einmal kurz beim Vergleich mit „Sorry“ zu bleiben: Der Stil der Bücher ist ähnlich, allerdings habe ich „DU“ als gradliniger, spannender und nicht ganz so verworren empfunden. Meiner Ansicht nach hat sich der Autor in „DU“ weiterentwickelt und ich würde dieses Buch eher empfehlen als „Sorry“.

 

Fazit: „DU“ ist ein außergewöhnliches Buch und deshalb wahrscheinlich auch nicht jedermanns Sache. Es ist kaltblütig und hart, zeugt aber auch von unvorstellbarer (wenn auch unterdrückter) Liebe und menschlichen Tragödien. Es ist ein Buch, auf das man sich einlassen muss, aber im Gegensatz zu den immer gleichen Einheitsthrillern hat es einige Neuheiten und Charakteristika zu bieten, die am Ende seine Spannung und Unverwechselbarkeit ausmachen.