Hohe Erwartung nicht erfüllt

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melange Avatar

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Vorneweg: Dunkelziffer ist kein schlechter Krimi, aber ich hatte mir nach der Leseprobe und meiner Kenntnis von Arne Dahls Fähigkeiten einfach mehr versprochen.

Zum Inhalt: Ein 14jähriges Mädchen verschwindet auf einer Klassenfahrt, eine Frau meldet ihren Mann als vermisst, ein Mann wird mitten in Stockholm ermordet aufgefunden. Alle Fälle hängen zusammen, alle Fälle haben mit Sexualität zu tun: Pädophilie und Sex als Triebfeder der Lebensenergie.

Zum Cover: Zwei Hände, von denen eine sich in die andere legt - fast vertrauensvoll, wie die Hand eines Kindes. Die Hände wirken marmorn, ein Hinweis auf die Künstlerin, die in die Fälle verwickelt ist. Gut gefallen hat mir das Lesebändchen - mir ist das lieber als ein Lesezeichen, da diese gerne verschwinden oder verknicken.

Mein Eindruck: Die Geschichte beginnt spannend: Ein Mädchen verschwindet, die Klasse sucht zuerst allein, dann wird die Polizei und schließlich das A-Team eingeschaltet, da auch internationale Verwicklungen möglich sind. Leider geriet dieser Teil der Story immer mehr in den Hintergrund. Viel lieber beschäftigte sich Arne Dahl mit den privaten Problemen seiner Kriminalbeamten. Da er viele Polizisten in dieser Geschichte unterbringt, haben diese auch viele Schwierigkeiten, allesamt zwischenmenschlich. Für mich erdrückte dieser Umstand den Fall und auch die Darstellung der anderen Personen. Außer, dass sie gut aussahen, erfuhr man z.B. fast nichts über die handelnden Damen. Ihre Beweggründe hätten mich mehr und tiefer interessiert als die sexuellen Frustrationen der Beamten. Kurioserweise scheint Dahl über diesen Punkt sogar Selbstkritik üben zu wollen, denn der Gedanke eines Kommissars, über den ich am meisten schmunzeln musste, lautet: " Und er hatte wirklich keine Lust, tragisch zu werden. Nicht noch einer von diesen kaputten, alleinstehenden Ermittlern mit sozialen Phobien, die in schwedischen Krimis ihr Unwesen treiben." Bei Dahl haben jedoch nicht nur die alleinstehenden Ermittler Probleme, auch die in Beziehungen sind nicht davor gefeit.

Die Geschichte hatte an sich alles, was ein guter Krimi braucht: Ein spannender Plot, viele Arten von Handelnden, ein interessantes Thema, internationale Handlung, ein Team, das gut aufeinander eingespielt ist. Dazu eine flüssige Sprache, die einem das Ganze näher bringen könnte, wenn sie denn wollte. Ich finde schade, dass hier so viel wirklich gut Durchdachtes (z.B. der Geheimbund, der Pädophilenzirkel, die schwedische Vergangenheit, der Umgang mit einer Vergewaltigung) zwar angeschnitten, aber nicht wirklich behandelt wurde, weil das Privatleben der Beamten viel interessanter war. Da verwundert der Cliffhanger zum Abschluss des Buches nicht.

Mein Fazit: Ich bin enttäuscht, weil Arne Dahl eine spannende Thematik mit Gefahr für die Fingernägel der Rezensentin verschenkt hat. Nichtsdestotrotz war das Buch gut zu lesen und die Auflösung der verschiedenen Teilgeschichten schlüssig. Deshalb die drei Sterne für ein gutes Buch, leider nicht mehr für ein fantastisches, das es ohne Zweifel hätte werden können.